St.-John‘s-Tour 2018
Tauchen – Essen – Schlafen
Wenn Holger in Ägypten aus dem Flugzeug steigt, sieht man ihm direkt an, dass er in einen seiner Heimathäfen einläuft und auch ich komme nach mittlerweile zahlreichen Ägyptenbesuchen irgendwie nach Hause. Die orientalisch-quirlige Atmosphäre schon bei Verlassen des Flughafens in Hurghada und der Geschmack von Kardamom im türkischen Kaffee beim Zwischenstopp auf der mit ägyptischer Musik untermalten Busfahrt zu unserem Safaristart nach Port Ghalib lässt die Vorfreude immer weiter steigen.
Und schon sind wir auf unserem Boot, der Blue Seas. Die Bilder im Internet haben glücklicherweise nicht zu viel versprochen: Es erscheint uns sofort einladend, gepflegt und gemütlich. Unsere Sorge, dass sich zwei unserer Freunde, die wir zu ihrer ersten Tauchsafari animiert haben, nicht wohlfühlen könnten, schwindet. Unser schweres Tauch- und Fotogepäck (für dessen Transport wir bei Condor ein kleines Vermögen bezahlen mussten), wird von der Crew an Bord gehievt, so dass wir uns direkt schon ein bisschen mit dem Schiff vertraut machen können. Wir finden einen gemütlichen Salon, ein ansprechendes Oberdeck zum Chillen sowie ein geräumiges Sonnendeck – dass man sich hier mit 24 Gästen auf den Füßen stehen wird, ist schon mal auszuschließen. Nachdem wir unser Tauchgerödel aufgehängt und in Kisten verstaut haben, nehmen wir unsere hübsche Oberdeckkabine in Augenschein: Alles da, was man auf einer Tauchsafari benötigt, insbesondere reichlich Schrankfläche. Beim Abendessen nehmen wir ersten Kontakt zu den anderen Gästen auf: Auf den ersten Blick eine sympathische Truppe. Schön, dass neben deutschen Tauchern auch einige Polen, Schweizer und zwei Schweden an Bord sind. Lange halten wir nach dem ganzen Anreisestress am Abend jedoch nicht durch: Nach einem Schlummertrunk an Deck legen wir uns glücklich in unser Schlafgemach und träumen von Fischsuppe …
Tauchtag 1
Wieder fit und voller Vorfreude geht es nach einem üppigen 7-Uhr-Frühstück mit voller Fahrt zu unserem ersten Tauchplatz: Check-Dive am Shaab Marsa Alam. Überall glänzende Augen: Endlich wieder ins Wasser! Holger freut sich auf‘s Eintauchen seines neuen 7-mm-Anzugs und ich traue mich mit meinem 5-mm (nebst Unterzieher) in die Fluten – bei noch 27 Grad Wassertemperatur selbst für Frierzwerge wie mich kein Problem. Und es wird ein schöner gemütlicher 67-Minuten-Tauchgang vom Boot aus zu einem kleinen Tauchschiffwrack nebst kleiner Höhle – genau das richtige für den Anfang! Hier ergibt sich für mich auch die Gelegenheit, das Bojeschießen mal wieder zu üben.
Entsprechend der natürlichen Reihenfolge auf einer Tauchsafari folgt auf das Tauchen natürlich das Essen: Sicher keine Sterneküche, aber gut und reichlich – passt! Und danach wird erstmal gemütlich auf dem Oberdeck in einem der dicken Sitzsäcke gechillt, um auf den nächsten Tauchgang zu warten. Gegen 14 Uhr erreichen wir Shaab Sharm und die Glocke erklingt zum nächsten Briefing im Salon. Die Tauchplätze erklärt Nina, unser erfahrener „Chef-Guide“, mit technischer Bildschirmunterstützung – fast vermissen wir die üblichen mehr oder weniger schiefen, aber von Hand gemalten Riffs. Wir springen wieder vom Boot aus ins Wasser und lassen uns mit leichter Strömung am Steilriff entlang gleiten – schööön! Ein großer Napoleon schwimmt an uns vorbei, wir genießen die wundervolle Weichkorallen-Landschaft und entdecken unter einer großen Tischkoralle zwei Baby-Weißspitzenriffhaie, die darunter unentwegt ihre Runden drehen. Wir beschließen, dass wir zu faul sind, um gegen die Strömung zu schwimmen – wir setzen nach 62 Minuten die Boje und lassen uns bequem vom Zodiac abholen … und nach einem entspannten Deko-Bier und einem reichhaltigen Abendessen geht ein erster toller Tauchtag zu Ende.
Tauchtag 2
Nach einer Nachtfahrt zum St.-John‘s-Riff werden wir um 5.30 Uhr unsanft geweckt: Bum bum bum – good morning, good morning. Holger ist natürlich sofort hellwach, während ich – wie auf Tauchsafaris üblich – überlege, ob ich diesen schrecklichen Early-Morning-Dive sausen lasse, was ich – ebenfalls wie üblich – natürlich nicht tue, weil ja ein Walhai o.ä. vorbeischauen könnte. Immerhin bringt Holger mir Kaffee und hört für mich mit beim 6-Uhr-Briefing zu. Kann mir vielleicht jemand in meinen Tauchanzug helfen?
Wir gehen am Big Gota ins Wasser – wir lieben Steilwände – und ich werde diesen Tauchgang um diese unchristliche Uhrzeit nicht bereuen: Wunderschöne Weichkorallen, mehrere Muränen und einen superfetten Drückerfisch, den Holger gut vor die Linse bekommt. Und zum Schluss gibt es als Belohnung vor dem Ausstieg ins Boot einen schicken Longimanus, der sich für uns allerdings überhaupt nicht interessiert – sagte ich bereits, dass ich Tauchgänge am frühen Morgen hervorragend finde? Um die Reihenfolge einzuhalten, gehen wir danach frühstücken, während wir zu unserem nächsten Tauchplatz – Small Gota – fahren. Wir gehen wieder vom Boot ins Wasser und machen mit unserer Freundin Uli einen richtig schönen entspannten 75-Minuten Tauchgang: Wir begegnen einem Weißspitzenriffhai, einem netten großen Barrakuda, einem kleinen Napoleon und natürlich fehlt auch die Muräne nicht. Daneben gibt es wunderschöne Füsilierschwärme und interessante Blasenkorallen … hätten wir noch viel länger aushalten können.
Der dritte Tauchgang des Tages findet am Nachmittag am Dangerous-Riff statt, wo wir auch den folgenden Nachttauchgang erleben werden – der Name des Riffs ist allerdings nicht Programm: Alles easy. Es gibt viele kleine Korallenblöcke und wieder mal eine Höhle – die mag ich besonders. Und freischwimmende Muränen finde ich auch immer wieder spannend. Als wir an einem Tau mit einer Schlinge vorbeikommen, muss Holger natürlich mal wieder Mätzchen machen – immerhin darf ich fotografieren :-)
Gegen 18.30 Uhr wird es Zeit für den Nachttauchgang – darauf habe ich mich extrem gefreut. Und die Anzahl der freischwimmenden Muränen beim Jagen ist unglaublich. Daneben begegnen uns Juwelenzackenbarsche, Papageienfische, Hornhechte, Doktorfische, aber auch Korallenkrabbe und Anemonenfische für Holgers Makro-Objektiv.
Die nächtliche Unterwasserwelt erscheint uns – wie immer – atemberaubend.
Nach dem Tauchgang müssen wir uns fast schon wieder beeilen, um den Barbecue-Abend auf dem Oberdeck nicht zu verpassen. Giftig aussehende – aber hervorragend schmeckende – Cocktails, hübsch gedeckte Tische und superleckere Steaks mit Folienkartoffeln erwarten uns, eine echt gelungene Mischung mit toller Atmosphäre. Langsam tauen alle Gäste auf und es entwickeln sich spannende Gespräche – nicht nur über Fisch. Leider wird der Abend dann etwas weinlastig, was wir am nächsten Morgen doch noch ein wenig spüren werden.
Tauchtag 3
Bum bum bum, good morning, good morning – ich fühle mich wie am Murmeltiertag: Nein, ich bekomme die Augen noch nicht auf, ja, ich gehe tauchen. Same procedure as last day. Wir sind am Umm Arouk angekommen und gehen wieder direkt vom Boot aus tauchen. Wir schwimmen zwischen wunderschönen Korallentürmen her und begegnen einer Muräne nach der nächsten. Ich frage mich irgendwann, warum Holger gar nicht fotografiert. Er schaut bedröppelt und deutet auf sein Gehäuse während ich vor Lachen fast meinen Lungenautomaten verschlucke: Mit Kappe auf dem Objektiv werden die Bilder irgendwie zu dunkel …
Der nächste Tauchgang wird dann wirklich aufregend: Wir tauchen am Habili Ghafer, einem kegelförmigen Riff, das nicht ganz bis zur Oberfläche reicht. Es sind zwar ziemlich viele Tauchboote dort, aber wir haben das Glück, zuletzt ins Wasser zu kommen: Wir gehen sofort tief auf über 30 m, um das Riff dann höhersteigend mehrfach zu umrunden – so bekommen die anderen unsere Luftblasen ab ;-) Wundervolle blaue Füsilier- und Schnapperschwärme ziehen an uns vorbei, wir sehen große jagende Makrelen und genießen ein traumschönes Riffdach. Auf dem Weg zurück weiß ich, dass ich gleich wieder mit glänzenden Augen aus dem Wasser steigen werde, und dann beim Sicherheitsstopp am Boot: Ein Longimanus – freu freu. Holger bringt seine Kamera in Position, aber zunächst schwimmt der majestätische Hai leider wieder weg, um es sich sodann aber doch anders zu überlegen. Und ich habe das Gefühl, irgendetwas stimmt hier nicht. Das Tier macht einen überaus hektischen Eindruck, wirkt völlig nervös, ändert ständig die Richtung und rammt schließlich mit dem Kopf gegen ein am Schiffstau befestigtes Bleistück. Irgendwie ist das für mich plötzlich kein Spaß mehr – ich merke, wie mein Puls auf gefühlt 180 steigt. Holger ist in meiner Nähe, aber die anderen Taucher unter dem Boot schwimmen ziemlich einzeln umher, machen teilweise hektische Bewegungen und fotografieren bzw. filmen unentwegt, ohne dass sie sich offenbar etwas dabei denken. Ich drehe mich zu Holger um, der auf mich zeigt und mir bedeutet, aufzutauchen. Natürlich funktioniert in solchen Momenten die Unterwasserkommunikation nicht, weil ich davon ausgehe, dass Holger noch im Wasser bleiben und ich ihn nicht alleine lassen will, während Holger meint, dass wir beide aussteigen sollen. So dauert es noch einige Minuten, bis wir dann endlich das Wasser verlassen, bevor der Longi – wie wir später begutachten können – noch bedrohlich auf unseren Freund Jürgen, der sich zwischen Boot und Hai befindet, zuschwimmt, um dann Zentimeter vor ihm doch noch abzudrehen. Unsere Freundin Uli
schwimmt derweil noch an der Oberfläche – auch keine gute Idee mit schlecht gelauntem Haifisch darunter. Ich bin jedenfalls selten eine Bootsleiter derart schnell – mit Maske auf und Atemregler noch im Mund – quasi heraufgehüpft. Ich bin mir erstmal nicht ganz sicher, ob ich die Situation als „ungut“ richtig einschätze, aber Holger mit seiner 25-jährigen Haierfahrung bestätigt mir meinen Eindruck – puh!
Der Nachmittagstauchgang am Paradise-Riff mit vielen Blöcken und wunderschöner Höhle wird dann wieder entspannter. Und ich entdecke einen meiner geliebten Igelfische – die sich leider angesichts Holgers Kamera irgendwie immer wegdrehen.
Den Nachttauchgang absolvieren wir ebenfalls im Paradies: Für Holgers Makro gibt es u.a. Pyjamaund Warzenschnecken, Flohkrebse, Maskenkugelfische und den Kopf eines schönen gelben Feilenfischs. Mann, sind wir platt – nach dem Abendessen geht gerade noch ein kurzer Absacker, bevor wir in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen.
Tauchtag 4
Nein, ich habe mich immer noch nicht an die Weckzeiten gewöhnt, aber das Hadern wird weniger. Wir sind am Shaab Sataya, einem frequentierten Ankerplatz und Nina weist nochmal darauf hin, die ausgeteilten Netze für eine Müllsammelaktion zu nutzen. Unter dem Boot erstreckt sich dann auch zunächst eine Sandfläche mit kleinen Korallenblöcken, die ziemlich zugemüllt ist: Das ist einfach ein übler Anblick. Wir sammeln einige Plastikabfälle ein und manche versuchen, die Korallen von zurückgelassenen Angelleinen zu befreien, was teilweise ziemlich schief geht. Die schöne Seite des Tauchgangs: Es gibt zahlreiche Feuerfische, die derart zutraulich sind, dass Holger mit dem Fotografieren gar nicht mehr nachkommt – die Viecher drehen sich fast wie professionelle Models. Am späten Vormittag kommen wir zum Shaab Claude/Claudio – ich denke, das wird einer meiner Lieblingstauchgänge bei dieser Safari. Wir tauchen ab in eine wundervolle Höhlenlandschaft mit traumschönen Hartkorallen – könnte ich immer wieder machen. Leider gibt es einige Taucher anderer Boote, die sich abartig benehmen – fette Rebreather-Ausrüstung, aber null Ahnung vom Tauchen nebst entsprechendem Benehmen (Tiere ärgern, Korallen abtreten etc.). Das macht uns wirklich aggressiv. Am Nachmittag geht es nach Abu Galawa Soraya, wo wir vom Boot aus direkt am Wrack einer toll bewachsenen Segelyacht abtauchen, um sodann zu einem beeindruckenden Korallengarten zu gelangen – leider fehlte zu Holgers Leidwesen heute mal die Sonne. Dafür gab es zum Trost eine freischwimmende Muräne. Der Nachttauchgang am Gezira Siyul brachte zwei fette Dornenkronen, verschiedene Garnelen, Seesterne, eine Seenadel, eine Spinnenkrabbe und eine Sternfleckenmuräne – eine gute Makro-Ausbeute. Langsam gewöhnen wir uns an den Rhythmus: Heute sind wir sogar mal wieder fit für den Après-Dive und gönnen uns ein bisschen Wein und eine Menge Fischgespräche
Tauchtag 5
Wir erreichen den Elphinstone, an dem ich im Vorjahr bei meinem 100. Tauchgang meinen ersten Hai gesehen habe – ich freu mich drauf. Wir springen in der Früh vom Boot ins Wasser und tauchen vom Südplateau an der Ostseite entlang, um uns später vom Zodiac wieder einsammeln zu lassen. Langsam gleitet ein superschöner fetter Napoleon an uns vorbei und macht uns glücklich. Beim zweiten Tauchgang am Elphinstone tauchen wir vom Boot aus erneut zum Südplateau, ein Stückchen an der Ostseite entlang und wieder zum Boot zurück: Mmmh, Torbedorochen mag ich auch. Der Nachmittagstauchgang findet ebenfalls am Elphinstone statt, und zwar an der Westseite.
Holger sieht wirklich witzig aus, weil er eine gefühlte Stunde nicht bemerkt, dass ein ziemlich aufdringlicher Flötenfisch zwei Zentimeter neben seinem Kopf herschwimmt und ihm partout nicht von der Seite weichen will – das muss Liebe sein. Für unseren Nachttauchgang erreichen wir am Abend sodann Shona, eine wunderschöne Bucht mit Sand, Seegraswiese und Korallenriff. Das Seegras sparen wir uns für den Folgetag auf und tauchen zunächst über Sand, wo wir einen Kalmar entdecken, der leider nur halb auf Holgers Makrofoto passt. Wir finden außerdem eine Babymuräne und viele Barben und Eidechsenfische.
Tauchtag 6
Unser letzter Tauchtag – wir werden schon ein bisschen wehmütig, aber dafür werden wir heute „erst“ um 6.00 Uhr geweckt. Unsere beiden letzten Tauchgänge in Shona wollen wir noch richtig genießen. Und das klappt: Wir tauchen gemächlich über die Seegraswiese, als wir plötzlich eine unglaublich große Schildkröte entdecken, die sich durch die Anwesenheit von Tauchern offensichtlich nicht ansatzweise stören und sich brav von allen Seiten fotografieren lässt. Wenig später erkennen wir aus der Ferne zwei weitere Exemplare ähnlichen Kalibers, von denen sich eine aus dem Staub macht. Und schließlich tauchen wir zum Riff, auf dem es sich eine vierte fette Schildkröte gemütlich gemacht hat. Bei unserem letzten Tauchgang lassen wir uns zur Abwechslung mal mit dem Zodiac rausfahren und tauchen gemütlich am Riff zurück zum Boot – zum Abschied winken uns zwei dicke Igelfische, ein Kugelfisch, ein Leoparden-Stechrochen und viele Fledermausfische – mmmh. Der Abschied am nächsten Tag wird ein bisschen herzzerreißend. Die Truppe an Bord nebst Tauchguides und Crew war wirklich ein Glücksfall. Wir tauschen fleißig E-Mail-Adressen aus, nehmen uns in den Arm und sind uns sicher, auf jeden Fall mal wieder zusammen abzutauchen. Und unsere Freunde Ceo, Jürgen und Uli beteuern, dass dies garantiert nicht ihre letzte Tauchsafari war.
Das Fazit
Wir haben eine wunderschöne Woche auf einem geräumigen und gepflegten Boot erlebt, auf dem man sich ohne Weiteres aus dem Weg gehen konnte – aber eigentlich gar nicht wollte. Die Truppe war sicherlich ein Glücksfall – lockere und tolerante Leute mit völlig verschiedenem Background und unterschiedlichen Charakteren. Die Crew war einfach nur nett und hilfsbereit – und für Holger, der ganz passabel Arabisch spricht, natürlich umso interessanter. Nina hat jeweils ein interessantes und informatives Briefing durchgeführt (und ihre „Assistentin“ wird die Fischnamen demnächst sicher auch noch auf Deutsch hinkriegen. Soweit möglich wurde immer auf individuelle Wünsche eingegangen.
Die Wahl der Tauchplätze ist gut gelungen, auch wenn es nicht immer vermeidbar war, dass sich bereits mehrere andere Tauchboote dort befanden. Wir haben in den sechs Tauchtagen 20 allesamt schöne Tauchgänge absolviert – nicht wirklich übel, oder?
Insgesamt eine wundervolle Tauchsafari auf der Blue Seas über Nautilus Tauchreisen! Wir werden das wiederholen!
Carola und Holger