REISEBERICHT – ÄGYPTEN, TAUCHSAFARI
Brothers / Daedalus & Elphinstone mit Seawolf Dominator
Ich hasse packen – und das im erkältungstechnisch angeschlagenen Zustand, obwohl ich mich wie ein neurotischer Freak seit zwei Wochen von allen denkbaren Bazillenmutterschiffen konsequent ferngehalten und Unmengen nutzloser Nahrungsergänzungsmittel in mich reingeschoben habe – na toll! Wir schaffen es trotzdem pünktlich zum Flughafen nach Köln/Bonn und versuchen es mal mit dem Einchecken bei Corendon. „Tauchgepäck?“ – die Mitarbeiterin am Schalter blickt erstaunt und muss erstmal telefonieren … ist ja auch höchst überraschend, dass jemand zum Tauchen nach Ägypten fliegen will und entsprechende Ausrüstung mit sich führt! Ewige Zeit später und nach endlosen Diskussionen über Holgers 16-kg-Handgepäck mit seiner kostbaren Fotoausrüstung erreichen wir unser Flugzeug, ohne dass ich jemanden erschlagen habe – geht doch. Und als wir nach pünktlicher Landung in Hurghada den Flughafen in der Abenddämmerung verlassen, ist alles gut: Es ist ca. 20 Grad wärmer als zu Hause, riecht nach Sommer und Meer und wir genießen schweigend die kurze Fahrt zu „unserem“ Boot, der Seawolf Dominator.
Am Seawolf-Office wird uns erstmal ein schönes kaltes Bier gereicht und wir treffen auf zwei unserer Mittaucher: Christoph, den Holger noch als häufigen Gast seiner ehemaligen Tauchbasis in Adrasan kennt und seinen Kumpel Jürgen (im Weiteren Jürgen II genannt) – beide machen auf mich einen supernetten Eindruck. Der restlichen Truppe – acht weiteren Reiseteilnehmern – begegnen wir auf dem Boot: Da ist zunächst Heike, meine Zimmergenossin, die bereits mit uns auf den Philippinen war und die ich erstmal kräftig drücken muss. Dann fallen wir Jürgen und Uli, mit denen wir im letzten Jahr die Südtour auf der Blue Seas gemacht haben, in die Arme. Ich lerne Günther und seinen Kumpel Armin kennen und mache mich mit Regina und ihrem Mann Tibor bekannt. Und dann gibt es noch Dominik, der mit Holger schon mal in Deutschland taucht und mit diesem eine Kabine teilt. Ich mag sie alle auf Anhieb und freue mich wie verrückt auf unsere Reise.
Aber zunächst machen wir uns mit dem Schiff vertraut, das wir uns mit einer zehnköpfigen Jungstruppe teilen. Das gepflegt wirkende Boot gefällt uns sofort: Ein hübscher Salon (in dem schon kleine Snacks bereitstehen), ein gemütliches Oberdeck, das klassische Tauchdeck (mit Kisten, die schon unsere Namen tragen) und die Kabinen, die den Vorteil einer abgetrennten Duschkabine haben – gefällt mir. Dass Holger und ich uns wegen der Gästekonstellation keine Kabine teilen können, stört mich nicht weiter, weil wir ohnehin vorhaben, auf dem Sonnendeck zu schlafen, um den unglaublichen Sternenhimmel auf hoher See erleben zu können – einen Schlafsack haben wir mitgebracht und die Sternen-App ist auch heruntergeladen. Man will ja schließlich wissen, wo man so romantisch drunterliegt.
Nach einem kurzen allgemeinen Briefing gibt es was auf die Gabel: Der Koch kann was! Meine Freude auf die folgenden sieben Tage steigt stetig. Wir hängen unsere Anzüge auf, packen unser Tauchgerödel in die Kisten und legen uns nach einem Schlafbierchen direkt auf‘s Ohr – es war ein langer Tag und wir müssen schließlich morgen fit sein.
- Tauchtag: Small Giftun
Am nächsten Morgen dürfen wir „ausschlafen“, d.h. bis zum reichhaltigen Frühstück um halb acht – über das Essen gibt es echt nichts zu meckern. Dann brechen wir auf zum Checkdive am Small Giftun und es geht endlich endlich ins Wasser – wie sehr habe ich das Tauchen in den letzten drei Monaten vermisst. Und ich freue mich drauf, mein neu zusammengebasteltes Wing zu testen und muss natürlich auch mal die neue Boje ausprobieren (meine alte hat der liebe Holger in Raja Ampat versenkt): Lässig springe ich vom Boot aus ins Wasser und entspanne mich selig grinsend zunächst an der Oberfläche – bis Holger mich dezent darauf hinweist, dass sich das Reel meiner supertollen Boje gerade etwa 15 Meter unter mir befindet … das fängt ja hervorragend an! Bevor ich mich aufregen kann, ist Holger allerdings schon abgetaucht und fängt an zu wickeln … und ich bin wieder tiefenentspannt. Ich lasse mich in die Tiefe gleiten (der Druckausgleich klappt trotz leichter Erkältung perfekt) und wir machen einen schönen 70-Minuten-Tauchgang mit vielen bunten Fischen und vor allem einem fetten Napoleon. Wir fühlen uns einfach nur glücklich (und die neue Boje funktioniert dann doch noch).
Nach dem Tauchen folgt zwingend das Essen – wieder ausnehmend lecker und (wie sich zeigen wird: immer) mit irgendeinem arabischen Einschlag: Das mag ich! Dann wird natürlich gechillt – ich kann in den Sitzsäcken auf dem Oberdeck hervorragend dösen und schlafen bis die Glocke wieder zum nächsten Briefing läutet. Wir sind wieder voll im Tauchsafari-Modus.
Um 14 Uhr folgt das nächste Briefing: Wir machen noch einen Tauchgang am Small Giftun, diesmal einen Drift-Dive. Die beiden Guides, Akram und Mostafa, kann ich erstmal nicht so richtig einschätzen, zumal ich Akram mit meinem halbtauben linken Ohr kaum verstehe, aber ich werde die beiden im weiteren Verlauf immer mehr zu schätzen wissen. Insbesondere Akram, mit dem unsere Gruppe häufig taucht, ist nicht nur kompetent, sondern achtet auch darauf, dass möglichst naturschonend getaucht wird – der scheut sich nicht, auch mal einen fremden Taucher aus den Korallen zu ziehen.
Und unser Drift wird einfach nur wunderschön: Wir begegnen vielen Muränen (ich bin ein echter Muränenfan) und einem furchtbar entzückenden Igelfisch, den ich stundenlang hätte betrachten können. Dazu gibt es tolle Barbenschwärme, die an einer mit unzähligen Gorgonien bewachsenen Wand entlanggleiten. Ich bin noch ganz verzaubert, als wir nach etwa 70 Minuten wieder aufˋs Boot klettern – so darf es gerne weitergehen! Und als wir an Bord sind, packt mich ein ganz kleines bisschen Schadenfreude als ich erfahre, dass dieses Mal Dominik sein Reel verloren hat und eine ganze Menge Leine aufwickeln musste.
Nach dem Abendessen werden die Motoren angeworfen und es geht volle Fahrt in Richtung Brother Islands, während wir es uns auf dem Oberdeck gemütlich machen und beim Dekobier anfangen, die im Duty-free-Shop erworbenen Schnapsvorräte näher in Augenschein zu nehmen. Bis auf Heike, die einen Whisky mitgebracht hat, hatten wohl alle dieselbe Idee: Für die Seefahrt eine Buddel voll Rum. Da tut ein Schlückchen vor dem Schlafengehen gar nicht schlecht! Dann liegen Holger und ich auf dem Oberdeck, genießen das angenehme Schaukeln und schauen in den Nachthimmel, an dem wir – mittlerweile ein ganzes Stück von der Zivilisation entfernt – mindestens 1 Million Sterne erkennen können. Wir lassen uns einlullen und fallen in einen tiefen Schlaf. Leider erwache ich nach einigen Stunden, weil ich wegen des zunehmenden Windes halb erfroren bin – dass ich zu faul zum Aufstehen bin, um daran etwas zu ändern, soll sich noch bitter rächen …
- Tauchtag: Brother Islands
Gegen 5 Uhr morgens erreichen wir schließlich die Brother Islands und gehen am großen Bruder vor Anker. Weil mir ohnehin zu kalt ist, um weiterzuschlafen, besorgen wir uns einen Kaffee und erleben einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Meer. Allein liegen wir an den Brothers allerdings nicht – wie zu erwarten finden sich nach und nach zahlreiche Safariboote ein. Da kann man nichts machen. Pünktlich um 6 Uhr läutet es schließlich zum Briefing – ich schleppe mich mühsam in den Salon und hoffe auf einen gemütlichen Tauchgang – eindeutig nicht meine Zeit!
Und: nein, er wird nicht gemütlich. Es kesselt ordentlich! Wir liegen an der Südwestseite des Riffs und Akram erklärt, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, vom Boot aus auf das Südplateau zu tauchen, um mit viel Glück einige Fuchshaie zu sehen. Bei ordentlicher Strömung sollten wir uns vom Boot aus am Seil zum Riff ziehen und dort abtauchen. Ich habe ja nichts gegen ein bisschen Strömung, aber doch bitte nicht um diese Uhrzeit! Ich springe ins Wasser (wobei ich meine Boje dieses Mal ordentlich festhalte) und paddle wie verrückt, bis es mir gelingt, das Seil zu ergreifen. Dann ziehe ich mich – schwer atmend – in Richtung Riff (wie Holger das noch mit fetter Fotoausrüstung hinbekommt, ist mir schleierhaft), um sodann mit 40 bar weniger in der Flasche erleichtert abzutauchen. Unmittelbar am Riff hält sich die Strömung in Grenzen und wir tauchen in Richtung Südplateau, wo sich allerdings bereits Dutzende von Tauchern auf ca. 40 Metern im Blauwasser befinden – und die Strömung draußen scheint mir ziemlich heftig. Ich denke mir nur: Wenn es dort draußen je Fuchshaie gegeben haben sollte, werden sie bei dieser Unmenge wuselnder Taucher garantiert die Flucht ergriffen haben. Ich bin froh, dass Holger vorschlägt, am Riff zu bleiben, während unsere Gruppe mit Akram den mühsamen Weg nach draußen ins Gedrängel auf sich nimmt. Und wenn man sich das unfassbare Gewimmel von außen so anschaut – nicht wenige haben offenbar Mühe mit ihrer Tarierung und paddeln auf 40 Metern wie verrückt mit den Flossen, wundert man sich schon, dass nicht viel mehr Tauchunfälle passieren. Nach etwa 45 Minuten – immerhin haben wir einige Barrakudas gesehen – kehren wir zum Boot zurück – kein sehr schöner Tauchgang, insbesondere für diejenigen, die in der Tiefe ordentlich gegen die Strömung ankämpfen mussten. Fuchshaie hat jedenfalls niemand gesehen! An Deck können wir dann beobachten, wie die Zodiacs anderer Tauchschiffe reichlich abgetriebene Taucher einsammeln müssen.
Nach dem Frühstück treffe ich Regina am Oberdeck. Sie hat leider die Nebenhöhlen ziemlich zu und erzählt, sie habe während des Tauchgangs reichlich unter Nasenbluten gelitten, sich aber nicht getraut, die Maske auszublasen, so dass sie kaum etwas gesehen habe. Als sie mir den Grund nennt, müssen wir uns beide dann doch fast wegschmeißen vor Lachen: Sie hatte irgendwie Angst, dass sie damit die Haie anlocken könnte … mir wäre es recht gewesen
Nach dem Frühstück haben wir uns wieder erholt und freuen uns auf den nächsten Tauchgang. Leider lässt das Wetter einen Tauchgang zu dem schön bewachsenen Wrack der Numidia nicht zu, aber wir können die Westseite betauchen. Holger, Dominik, Heike, Jürgen, Uli und ich springen wieder vom Boot aus ins Wasser und gleiten – dieses Mal fast ohne Strömung – wie schwerelos dahin. Uns begegnen u.a. unzählige Flötenfische, die Gefallen daran finden, sich regelrecht an uns zu kuscheln – die sehen schon wirklich witzig aus. Währenddessen treffen wir einen kleinen Napoleon und einen schönen Schwarm Großaugenmakrelen. Alles gemütlich – das wäre ein idealer Early-Morning-Dive gewesen. Der Rest der Truppe hatte sich mit dem Zodiac zur Ostseite fahren lassen und immerhin kleine Haie und Barrakudas gesehen – offenbar auch schön.
Am Nachmittag freue ich mich auf den kleinen Bruder, den ich von vor zwei Jahren noch in guter Erinnerung habe. Wir setzen über und lassen uns gegen 14:30 Uhr mit dem Zodiac zur Nordseite bringen, um auf der Westseite zum Boot zurückzutauchen. Locker lasse ich mich ins Wasser fallen und tauche direkt ab. Dann schaue ich zu meinem Lieblingsbuddie (= Holger), der nur grinsend nach unten zeigt: Nein, nicht schon wieder! Irgendein fremder Taucher ist bereits dabei, mein Reel zu retten und die Leine der Boje aufzuwickeln – ich liebe galante Männer. Dankend nehme ich das Reel entgegen, mache es ordentlich fest und nehme mir vor, mir demnächst wieder eine Taschenboje zu besorgen!
Der sich anschließende Tauchgang wird allerdings traumschön. Das Riff am Small Brother ist wirklich wundervoll und ich entdecke in der Ferne einen grauen Riffhai und viele silbrig-glänzende Barrakudas – es fällt mir fast schwer, nach knapp 70 Minuten wieder aufzutauchen, obwohl ich ganz schön friere – die Erkältung schwebt weiterhin widerlich drohend über mir.
Der Abend gehört Fischfreundin und -retterin Heike: Als sie sich auf dem Tauchdeck befindet, meint ein fliegender Fisch, ein bisschen Landluft schnuppern (sprich: an Deck springen) zu wollen, was ihm aber offensichtlich gar nicht gut bekommt. Heike gibt wirklich alles, bis es ihr gelingt, das glitschige Teil wieder ins Wasser zu befördern.
- Tauchtag: Daedalus
In der Nacht fahren wir weiter zum Daedalus-Riff, an das ich mit ordentlichem Respekt denken muss, weil ich dort vor zwei Jahren DIE Strömung meines bisherigen Taucherlebens erfahren habe. Trotzdem freue ich mich schon drauf, als wir uns nach ein paar gemütlichen Dekobieren und einer Menge Fischgequatsche zu unserem Nachtlager auf das Oberdeck begeben. Wir sind ziemlich platt und sinken in einen tiefen Schlaf als wir nach gefühlten zwei Stunden ziemlich unsanft geweckt werden: Es ist bereits kurz nach sechs – wir haben verschlafen und das Briefing beginnt genau jetzt. Holger hechtet nach unten, während ich noch überlege, wer ich bin und was ich hier mache. Keine Chance, ohne Kaffee in einer Minute Kontaktlinsen in meine einigermaßen entzündeten Augen zu pappen und ich gebe auf: Obwohl ich sonst nie freiwillig einen Tauchgang auslasse, weil ich den Gedanken nicht ertragen kann, womöglich einen Walhai zu verpassen, lege ich mich wieder hin: ohne Koffein und ein bisschen Vorlaufzeit geht bei mir einfach nichts. Immerhin sehe ich später von oben einen Longi, der das Boot umkreist – besser als nichts.
Als Holger mit der Truppe wiederkommt, ärgere ich mich dann doch ein bisschen: An der Nordspitze gab es Hammerhaie, meine absoluten Lieblingshaie, vor denen ich niemals Angst haben könnte, weil sie einfach so unglaublich lustig aussehen. Die beiden Tierchen sollen zwar ziemlich weit entfernt gewesen sein, ich hätte sie dennoch gerne gesehen. Und ich erfahre, dass Dominik zunächst seinen Tauchcomputer vergessen hatte, so dass das Zodiac noch einmal kurz zurückfahren musste – sehr gut, kann man ihn wieder ein bisschen ärgern, nachdem er die Tage bereits versäumt hatte, seine Flasche aufzudrehen – gefällt mir.
Nach dem Frühstück gibt es den zweiten Tauchgang – diesmal vom Boot aus im Süden. Akram empfiehlt einen Negativeinstieg, weil gerne mal der ein oder andere Longimanus unter den Booten lauert. Ich springe vor Holger ins Wasser und bemühe mich trotz immer schäbiger werdender Erkältung um sofortiges Abtauchen, bis ich durch ein Zeichen von Uli bemerke, dass ich gerade einem Longi fast auf den Kopf gesprungen bin – was für ein majestätischer Fisch. Aufgeregt zupfe ich an Holgers Flossen, der gerade eben unten ankommt und seine Kamera gar nicht mehr rechtzeitig in Aktion bringen kann. Dafür tut mir das Ohr weh, weil ich im Eifer des Gefechts keinen Druckausgleich hinbekommen habe, und Dominik bekommt seinen allerersten „Nahhai“ und ist erkennbar begeistert. Den weiteren Tauchgang genieße ich sehr – mit einem ganzen Haufen von Napoleonfischen, die sich fröhlich von Holger fotografieren lassen – scheu ist anders. Dankbar klettern wir nach etwa einer Stunde zurück auf‘s Boot.
Am Nachmittag folgt ein weiterer superschöner Tauchgang – Jürgens 800.! Von der gefürchteten Daedalus-Strömung heute keine Spur. Wir lassen uns vom Zodiac im Westen an der „Anemonen-City“ hinauswerfen – Holger meint, er könne sich mitsamt seiner großen Kamera rückwärts ins Wasser schmeißen und steht plötzlich ohne Maske da. Ausnahmsweise reagiere ich mal sofort und stürze dem herrenlosen Teil bis auf knapp 10 Meter hinterher – leider keine Zeit für sowas wie Druckausgleich. Mit schmerzenden Ohren – aber triumphierend – reiche ich Holger seine Maske und beschließe, ihn damit die nächsten Tage aufzuziehen. Danach erfreuen wir uns zunächst zahlreicher Nemos – sehr schön. Wir tauchen an der Steilwand entlang und sehen jede Menge Barrakudas und viele schöne bunte Fische. Tief unter mir entdecke ich zu meiner Freude einen Schwarm riesiger Thunfische und beschließe spontan, auch diese Fische zukünftig von meinem Speisenplan zu streichen. Zum Ende des Tauchgang taucht Akram, der sich weit vor uns befindet, schließlich ein Stück ins Blauwasser, um eine Boje zu schießen, damit das Zodiac uns abholt. Als er allerdings von einem Longimanus ziemlich penetrant beäugt wird, entschließt er sich dann doch lieber, sich wieder weiter ans Riff zu begeben. Als wir dann vom Schlauchboot abgeholt werden, habe ich doch ein etwas mulmiges Gefühl, an der Oberfläche zu paddeln, während unter mir ein neugieriger Haifisch kreist – aber ich lasse mich erfolgreich ablenken: Nachdem ich Blei und Jacket abgelegt habe, behaupte ich kühn, nun mittels eines eleganten Sprungs ins Zodiac gelangen zu können dank meiner Klimmzugübungen im Fitnessstudio. Leider habe ich nicht damit gerechnet, dass Dominik lässig seine GoPro zückt und das Geschehen für die Nachwelt dokumentieren will. Ich gebe demgemäß alles. Ok, elegant ist anders, aber immerhin ohne Hilfe des Bootsmannes walfischmäßig hineingezogen. Leider muss ich zugeben, dass Holger und Dominik sich geschickter anstellen, aber immerhin gibt es auch andere …
Danach sind wir alle ganz schön fertig und freuen uns auf einen Grillabend auf dem Sonnendeck – es gibt knuspriges Hähnchen und Kofta nebst leckeren Beilagen. Und nach ein paar Dekobierchen und einem Absacker – Dominiks Rum schmeckt am allerbesten – geht es in die Sternenkoje …
- Tauchtag: Daedalus die Zweite
Nach einer unglaublich schlechten Nacht mit Geschniefe, Gehuste und Fieber wache ich auf und mich packt der absolute Horror: ich kann definitiv nicht tauchen. Spaßeshalber puste ich mir in die Nase, aber da tut sich rein gar nichts – ich fühle mich elend und habe endlos schlechte Laune, während unsere Truppe sich für den Early-Morning-Tauchgang vorbereitet. Ob ich es tröstlich finde, dass Uli ebenfalls nicht tauchen kann, weiß ich auch nicht so genau.
Mit dem Zodiac geht es wieder zur Nordspitze, um noch einmal Hammerhaie zu suchen. Diese finden sich offenbar nicht, dafür aber unzählige Taucher, die ihre Runde durch‘s Blauwasser schwimmen. Immerhin gibt es für Holger, der jetzt mit Jürgen taucht, eine schicke Schildkröte zu Beginn und auf dem Rückweg eine freiliegende Muräne – soll ein wirklich schöner Tauchgang gewesen sein – heul! Ganz witzig fand ich zumindest, als eines unserer Zodiacs kurz nach der Abfahrt mit einem einzigen Passagier wiederkehrt: Einer aus der anderen Jungstruppe betritt mit traurig-beschämter Miene das Deck und kommentiert meinen fragenden Blick: „War schon im Wasser, Blei vergessen“ – ist blöd, aber kann passieren.
Nach dem Frühstück wird wieder im Westen getaucht. Die Truppe lässt sich mit dem Zodiac absetzen und taucht gegen eine leichte Strömung zum Boot zurück. Es gibt unglaublich viele Flötenfische und ein wirklich schönes Riff – die ewige Paddelei hätte mich aber mit Sicherheit umgebracht.
Auch den letzten Tauchgang am Daedalus vom Boot aus Richtung Ostseite kann ich nicht mitmachen – was ich im Nachgang auch nicht sehr bereue. Holger erzählt später zwar von zahlreichen zutraulichen Napoleonfischen, die ich später auch auf seinen Fotos bewundern kann. Nachdem ich mich auf dem Boot mit zwei Schildkröten und zwei Longis von oben getröstet habe, sehe ich dann jedoch zufällig, wie am Riff keine 20 Meter vom Boot entfernt eine Boje aufsteigt, an der sich Holger, Jürgen, Dominik, Christoph und Jürgen II vom Zodiac abholen lassen – hääh? Ich denke krampfhaft über den Sinn dieser Aktion nach, zumal die (von oben betrachtet eher geringe) Strömung in Richtung Boot verläuft – das ganze erschließt sich mir erstmal nicht. Wenig später erscheint irgendjemand auf dem Oberdeck und erklärt mir, dass Holger offensichtlich noch über sämtliche seiner Gliedmaßen verfügt – das klingt doch nicht schlecht. Schließlich erfahre ich, dass es ein äußerst penetranter Longi auf meinen Liebsten abgesehen hatte, als dieser – als Führender der Gruppe – vom Riff zum Boot tauchte. Holger hatte den Hai offenbar schon vorher wahrgenommen, als dieser einen anderen Taucher bedrängt hatte, bevor der Hai dann auf ihn selbst zuschwamm und ihn zunächst an der Schulter anstubste – da wurde noch fotografiert. Als der Longi sich allerdings gar nicht mehr abwimmeln ließ und zweimal erneut auf ihn zukam, musste Holger ihm dann doch ein wenig mit dem Blitzarm auf den Kopf hauen – den Hai störte das jedoch nicht wirklich. Erst nach dem dritten Versuch entfernte sich Longi schließlich – puh! Ich mag Haie wirklich sehr, aber bei Entfernungen unter zwei Metern bekomme ich Schnappatmung. Und wenn sie dem Holger auf die Pelle rücken, könnte ich echt ungemütlich werden …
An Bord begrüße ich meinen Helden und zähle nach, ob noch alle Körperteile vorhanden sind – sieht gut aus. Ich bin allerdings so fertig von meiner fiebrigen Erkältung, dass ich mich einfach windgeschützt auf dem Oberdeck schlafen lege in der wahnwitzigen Hoffnung, am nächsten Tag endlich wieder tauchen zu können. Zumindest gefällt mir das ordentliche Schaukeln auf dem Weg zu unserem nächsten Tauchplatz Elphinstone.
- Tauchtag:
Elphinstone und Abu Dabbab
Als es mir am nächsten Morgen zumindest leicht besser geht, nehme ich mir vor, es am Nachmittag auf jeden Fall mit einem Tauchgang zu versuchen. Zum Early-Morning fehlen ansonsten doch ein paar Verdächtige, die möglicherweise die Überfahrt nicht so recht vertragen haben – Tibor berichtet mir später, dass seine Liebste in der Nacht an der Reling einige ungute Geräusche von sich gegeben hat – oh oh. Für alle anderen geht es mit dem Zodiac an die Nordspitze, um an der Ostseite zum Boot zurückzutauchen. Holger berichtet nach Rückkehr, er sei mit Christoph und den beiden Jürgen lange im flachen Bereich mit tollen Korallen gewesen, wo es schöne Soldatenfisch- und Schnapperschwärme und auch sonst viel Fisch gegeben habe, während Akram erzählt, er habe mit Armin und Günther – wenn auch nur ganz kurz – Delphine gesehen. Offenbar für alle ein sehr schöner Tauchgang.
Der zweite Tauchgang geht vom Boot aus auf das Südplateau – ein gemütlicher Tauchgang mit Oktopus, dickem Drückerfisch, der nicht aus der Ruhe zu bringen ist, und einem Longimanus beim Austauchen – da wäre ich auch gerne dabeigewesen, zumal ich am Elphinstone vor zwei Jahren meinen allerersten Hai gesehen habe.
Nach dem Mittagessen fahren wir jedoch nach Abu Dabbab, wo ich es unbedingt wieder mit Tauchen versuchen will. Ich lasse Holger schwören, dass wir nicht tiefer als 15 m tauchen und nicht gegen irgendeine Strömung anschwimmen, weil ich ernsthaft Angst vor üblen Hustenattacken habe – wenn ich überhaupt runterkomme. Und es wird echte Quälerei: Zentimeter für Zentimeter … ich will schon beinahe aufgeben, als doch was geht und ich mich langsam auf eine adäquate Tauchtiefe herunterarbeite. Ich bin so dankbar, dass ich die wunderschönen Drachenköpfe und Krokodilfische feiere wie einen Walhai … und bin froh, dass ich – frierend und hustend – nach einer Stunde wieder an Bord bin.
Ok, den Nachttauchgang (die liebe ich eigentlich ganz besonders) schaffe ich einfach nicht mehr – und der wird „leider“ wunderschön gemütlich …
- Tauchtag: Marsa Shona
Ganz früh am nächsten Morgen fahren wir nach Marsa Shona, einem meiner Lieblingsplätze bei der letztjährigen Südtour. Unser letzter Tauchtag ist angebrochen und ich bin fest entschlossen, wenigstens die beiden noch anstehenden Tauchgänge noch mitzunehmen! Und das mit dem Lieblingstauchplatz soll sich bestätigen. Holger und ich entscheiden, uns zu zweit zunächst ins Seegras zu stürzen – es wird wunderschön! Ich bin erst fast ein wenig traurig, als wir in der Ferne eine grüne Riesenschildkröte auf ihrem Weg an die Wasseroberfläche beobachten. Als ich denke „Mist, verpasst“, bedeutet mir Holger, mich still in den Sand zu legen, um einfach abzuwarten, ob sie zurückkehrt … und das tut sie nach wenigen Minuten – freu freu – um sodann wenig anmutig bäuchlings direkt neben uns zu landen. Wir erfreuen uns an unserer Privatkröte, die es Holger erlaubt, aus unmittelbarer Nähe reichlich Aufnahmen zu machen und sich überhaupt nicht stören lässt. Mir wird beim Anblick dieser unglaublich schönen Urviecher immer ganz andächtig zumute. Wir lassen das Tier schließlich in Ruhe weiterfuttern und tauchen Richtung Riff, wobei uns ein ganzer Schwarm winziger Wimpelfische begegnet – so niedlich! Und das wunderschöne Riff in gleißendem Sonnenlicht bezaubert uns, bis wir schließlich wieder auftauchen. Diesen Tauchgang will ich unbedingt wiederholen!
Am späten Vormittag steht schließlich der letzte Tauchgang unserer Reise an. Mittlerweile haben sich leider unzählige Safari- und Tagestourboote eingefunden und mir schwant Übles. Mit Heike und Dominik gehen wir dennoch wieder vom Boot aus ins Seegras, während sich der Rest der Truppe mit dem Zodiac Richtung Süden zum Riff bringen lässt, um der Masse möglichst zu entgehen. Zuerst sehen wir nicht viel, aber plötzlich erkennen wir etwas großes Rundes im Sand: einen fetten Federschwanzstechrochen, der allerdings so viel Sand aufwühlt, dass es Holger mit dem Fotografieren mehr als schwer hat. Wir freuen uns trotzdem wie Bolle. Im Anschluss erkennen wir einen riesigen Auflauf von Tauchern, von denen ein Großteil hektisch mit den Flossen schlägt und dabei jede Menge Sand aufwirbelt. Witzig ist, dass uns plötzlich eine Taucherin begrüßt, die garantiert nicht zu unserer Truppe gehört: Annegret – die war mit uns auf den Philippinen. Wir umarmen uns stürmisch und stellen fest, dass das Rote Meer doch ziemlich klein ist. Nicht lustig ist hingegen, dass die gesamte Tauchermeute wie irre über eine Schildkröte herfällt und diese so kirre macht, dass sie schnell das Weite sucht und Richtung Oberfläche schwimmt. Kopfschüttelnd beobachten wir das Geschehen aus ca. 20 Metern Entfernung. Auch ohne Akrams vorherigen Hinweis, dass eine Schildkröte Angst bekommt, wenn man sich über sie stellt, sollte ein respektvoller Umgang mit den Unterwasserbewohnern doch wohl selbstverständlich sein. Als die Schildkröte verschwunden ist, zerstreut sich glücklicherweise auch die Meute und ich beschließe, mir meinen letzten Tauchgang nicht vermiesen zu lassen. Und wieder bedeutet uns Holger, still zu warten: Tatsächlich kehrt das Tier zurück, landet unweit von Dominiks Standort und krabbelt unentwegt auf ihn zu, bis Dominik sogar ausweicht – krass! Und Holgers behutsame Annäherung für einige Fotos nimmt sie völlig gelassen. Ich hoffe wirklich sehr, dass es der unglaublichen Masse an Tauchern (und man selbst ist leider – selbst bei respektvollem Umgang – irgendwie doch Teil des Systems) nicht gelingen wird, diese wundervollen Tiere von hier zu vertreiben!
Wir genießen noch die letzten Minuten am Riff mit den ganzen bunten Fischen und ich ignoriere Holgers Auftauchzeichen satte zehn Minuten bis ich mich von jedem einzelnen Fisch persönlich verabschiedet und ein Einsehen habe – es war soooo schön!
An Bord geht dann alles ganz schnell: Ratzfatz hängen wir unsere Anzüge auf und drapieren unser weiteres Tauchgerödel zum Trocknen auf dem Sonnendeck. Dann geht es nach Port Ghalib, wo wir zunächst einen kleinen Spaziergang machen und uns einen (echt schäbigen!) Cocktail genehmigen. Nach dem Abendessen, für das Koch und Crew noch einmal alles gegeben haben, sind wir zwar eigentlich ganz schön müde, aber irgendwie zieht es Uli, Jürgen, Dominik, Holger und mich doch noch auf einen Absacker in den Hafen (zumal unser Rum aufgebraucht ist). Auf dem Weg in eine Kneipe treffen wir Christoph und Jürgen II, die zwar eigentlich auf dem Rückweg zum Schiff sind, sich aber ohne Weiteres noch zu einem letzten Schlürschluck überreden lassen. Wir folgen dem Tipp, in der Wunderbar noch eine Runde Live-Musik zu hören – und aus dem Absacker werden locker drei Stunden. Ich hätte nie gedacht, in dem doch eher wenig ansprechenden Hafen in einer bösen Touristenbar ein derart geniales Duo anzutreffen, dass nicht nur musikalisch, sondern auch von der Performance her einfach großartig ist – sehr geil! Es werden zwar im Wesentlichen Rock-Klassiker semi-playback nachgespielt, der Gitarrist steht Carlos Santana allerdings nur wenig nach und der Sänger ist einfach nur grandios. Nachdem beide abwechselnd auf Tische und Stühle gesprungen sind, fängt das Publikum sogar an, auf der Hafenpromenade zu tanzen. Nach mehreren eingeforderten Zugaben ist der Gig schließlich zu Ende und wir machen uns auf den Heimweg.
Am nächsten Morgen geht eine Reise zu Ende, die mir trotz krankheitsbedingter Ausfälle wieder einmal unvergessen bleiben wird – und ich habe den Eindruck gewonnen, dass ich damit nicht alleine bin.
Das Fazit
Tauchen – essen – schlafen: So haben wir es gewollt und bekommen.
Unser gepflegtes Boot fand ich prima – alles, was das Taucherherz benötigt.
Das Essen war für Tauchsafaristandard bemerkenswert gut – mein Dank an den Koch! Gleiches gilt für die Crew, die uns beinahe jegliche Arbeit abgenommen hat und immer schon vorauseilend tätig geworden ist – spitzenklasse!
An die beiden Guides Akram und Mostafa musste ich mich persönlich erstmal ein bisschen gewöhnen – und fand sie dann umso toller: Sehr kompetent und umsichtig!
Die Tauchplätze an den sog. Highlights Brothers, Daedalus und Elphinstone sind natürlich spitzenklasse – die Masse an (auch vielen schlechten oder respektlosen) Tauchern wird zukünftig jedoch sicherlich Beschränkungen notwendig werden lassen.
Ich finde, wir waren eine Supertruppe – es war ein Vergnügen, mit jedem einzelnen zu tauchen, zu quatschen, Dekobier und -rum zu trinken oder einfach zu chillen. Es war aufregend und lustig – wieder einmal eine geniale Mischung aus Adrenalin und Tiefenentspannung – für mich jederzeit wieder!
Danke!
Vielen Dank an die gesamte Seawolf-Crew und an den lieben René von Nautilus Tauchreisen. Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch unseren Mitreisenden, die die Reise zu etwas ganz Speziellem gemacht haben:
Dem ewig untertauchten Jürgen, der am liebsten acht Tauchgänge pro Tag machen würde,
der lustigen Uli, die mit mir gemeinsam an einer fiesen Erkältung laboriert hat (nochmal danke für die „Schlafbekleidung“),
der beinharten Heike, die im rosa Tauchanzug auch aus 100 Metern noch zu erkennen ist,
dem begeisterten Dominik, der seine ersten „echten“ Haifische am liebsten mit nach Hause in den Möhnesee genommen hätte,
dem ewig hungrigen Tibor, der eher die gemütlichen Tauchgänge schätzt, weil der Kalorienverbrauch sonst einfach zu groß wird,
der unermüdlichen Regina, die sich das Tauchen trotz extremen Gegenwindes zurückerobert hat,
dem coolen Günther, dem man regelmäßig abends beim Schach mit der ägyptischen Crew zuschauen konnte,
dem unkomplizierten Armin, der mit relativ wenig Taucherfahrung einfach großartig getaucht ist,
dem Weltenbummler Christoph, dessen Kompetenz als gelernter Braumeister sich nicht nur auf Gerstenkaltschale beschränkt,
und – last but not least – „JürgenII“, der jederzeit gute Laune verbreitet hat.
Carola (Unterwasserfotos natürlich von Holger)