Reisebericht von Carola und Holger Pollmann
Azoren / Faial
Tauchabenteuer mitten im Atlantik
Endlich wieder tauchen …
Meine Gefühlswelt hinsichtlich unserer bevorstehenden Azorenreise ist beinahe ein bisschen ambivalent: Einerseits freue ich mich so unbändig auf diese Abenteuerreise mit garantiert ordentlichem Adrenalinspiegel nach langer Corona-Durststrecke, andererseits bin ich nicht nur total überarbeitet, sondern auch körperlich selten so unfit gewesen, dass ich mich auch gut mit Blümchentauchen anfreunden könnte … aber das wird es garantiert nicht werden. Da passen dann auch gleich die Flugzeiten: Wir müssen um zwei Uhr nachts los, um uns am Morgen des 25. Juli rechtzeitig am Düsseldorfer Flughafen einzufinden – und das nach einer echten Packorgie – was nimmt man mit auf die Azoren?? Natürlich meinen 8-mm mit Eisweste, selbstverständlich zusätzlich zu allem Gerödel Holgers zweite Kamera mit dem ausladenden Teleobjektiv für etwaige Walfotos … wir kommen uns vor wie die Packesel. An Schlaf ist natürlich nicht zu denken, so dass wir schon ziemlich übernächtigt in Düsseldorf ankommen, wo wir unsere erste Mitreisende treffen: Die schön verrückte Andrea, ein echtes Feierbiest, das wir auf einer gemeinsamen Tauchsafari kennengelernt haben. Da ist Spaß vorprogrammiert! Leider mussten vier weitere Gäste kurzfristig absagen; vor allem für Frieder, der schon mit in der Karibik war, tut es uns leid: Fahrradunfall, so ein Mist.
Auf geht’s zunächst nach Lissabon, wo ich den Rest der Bande kennenlernen werde: Florian (unseren frechen Österreicher, der sich gern mal diskriminiert fühlt, weil ich seine Sprache nicht immer verstehe) und Helga aus dem Frankenland (die nach meinem Gehör ganz ähnlich spricht) sowie Carola und Jörg aus Braunschweig (die Sprache verstehe ich). Der leider fünfstündige Aufenthalt in Lissabon will genutzt werden: Natürlich besorgen wir erstmal ein Fläschchen Sekt zum Anstoßen und der Duty-Free-Shop will schließlich auch unterstützt werden: Holger und ich kaufen eine richtig leckere Flasche sauteuren Rum für den Absacker nach hoffentlich zahlreichen spannenden Tauchgängen …
Und nach einem zweieinhalbstündigen Weiterflug erreichen wir schließlich den Flughafen von Horta auf unserer Insel Faial, wo wir gleich die für uns doch ziemlich ungewohnten Wetterwechsel auf den Azoren kennenlernen. Herrscht bei der Landung bei enormer Luftfeuchtigkeit noch strahlender Sonnenschein, sieht es nach dem kurzen Transfer – zunächst zur direkt am Hafen gelegenen Tauchbasis – völlig anders aus: Es ist nicht kalt, aber windig bei Nieselregen. Völlig abgekämpft und übernächtigt schauen wir uns an der kleinen, auf den ersten Blick ziemlich provisorisch wirkenden Tauchbasis um und räumen unser Gerödel ein: Jeder bekommt eine Ikea-Tasche, auf die er seinen Namen schreibt und in der mit Ausnahme der Anzüge alles verstaut wird; der ganze Kram kommt sodann in einen Transporter, der wohl des nachts verschlossen wird … mmmh … unsere Begeisterung hält sich (noch) in Grenzen. Dann geht es schließlich etwa einen Kilometer über viel Kopfsteinpflaster zu unserer Unterkunft. Und die gefällt mir so richtig gut! Tiago, der gemeinsam mit seiner Frau Joana – beide Meeresbiologen – Tauchbasis und Unterkunft betreibt und einen wirklich netten Eindruck macht, weist uns erstmal ein. Alle Zimmer sind offensichtlich neu gemacht, sehr geschmackvoll eingerichtet inkl. wunderschöner Unterwasserfotos, richtig geräumig und haben einen tollen Meerblick. Und die Sicht auf den (zumeist leicht wolkenverhangenen) Vulkan Pico auf der gleichnamigen Nachbarinsel ist einfach traumhaft! Auch die riesige Wohnküche, wo die liebe Julia, die wir auch gleich kennenlernen, uns das Frühstück machen wird, ist superschön und verfügt über alle notwendigen Gerätschaften, insbesondere sogar einen Gefrierschrank mit Eiswürfelbereiter. Mich freut auch, dass wir uns jederzeit selbst Kaffee machen können.
Während wir uns einrichten, macht Holger seinem Namen als „Gruppenvater“ alle Ehre: Er besorgt aus einer nahegelegenen Kneipe erstmal eiskaltes Bier für alle … so kann man sich wirklich beliebt machen! Und danach machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant für das Abendessen. Dank Tiagos Tipps finden wir einige, aber mit sieben Personen ist es ohne Reservierung gar nicht so einfach. Müde wollen wir schon fast aufgeben, als wir dann doch noch einen wunderschönen Tisch im Genuino (das wird eines unserer Lieblingsrestaurants werden) mit einem fantastischen Blick auf den Strand von Porto Pim bekommen. Der Oktopussalat wird in diesem Urlaub Florians Grundnahrungsmittel werden (deshalb werden wir auch so wenige davon unter Wasser sehen) und mein Thunfischsteak ist megalecker … wir sollten weniger Fisch essen!
Unser Weg zurück führt uns dann auch im Peter Café Sport am Hafen vorbei – welch ein interessanter Ort (dazu später mehr). Jedenfalls reservieren wir schlauerweise direkt einen Tisch für den Folgetag. Und zurück in unserer schönen Unterkunft schlafen wir erstmal wie die Steinfische!
An unserem ersten Tauchtag dürfen wir ausnahmsweise ausschlafen – wie schön! Julias leckeres Frühstück gibt‘s heute erst um zehn Uhr und danach laufen wir in den Supermarkt und gehen Grundnahrungsmittel einkaufen: vor allem Bier und Chips, denn isotonische Getränke sind sehr wichtig für den Körper und Tauchen verbraucht schließlich reichlich Kalorien (Das Heraufschleppen der Bierflaschen – Horta ist verdammt hügelig – allerdings auch!).
Mehr als ein Check-Dive
Am Nachmittag gehen wir schließlich zum Hafen, um uns alles zeigen zu lassen und unseren Check-Dive zu absolvieren. Das Wetter ist prima und der Anblick der vielen Schiffe im Yachthafen stimmt ausgesprochen fröhlich. Ausgeschlafen sieht auch die Tauchbasis schon viel einladender aus. Sich in einen 8-mm-Anzug zu schälen und noch eine enge Eisweste drüberzuziehen, ist allerdings eine Aufgabe, aber wer will schon frieren? Helga versucht es locker in 5 mm (ohne Kopfhaube!) und Andrea sieht definitiv cool aus in ihrem Mermaid-Protector-Walhai-Anzug (aber ob das wirklich reicht?). Jedenfalls geht es mit dem Luxus-Schlauchboot zum ersten Tauchplatz, Entre Montes, der in einer hübschen Bucht gelegen ist: Endlich Wasser über dem Schädel. Besonders viel habe ich mir von einem Check-Dive eigentlich nicht versprochen, aber weit gefehlt. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass es im Atlantik so viel Fisch gibt: Wir tauchen über weich abfallenden Felsgrund und treffen u.a. viele wunderschön gefärbte Papageienfische, unzählige kleine Drachenköpfe, mehrere Muränen und: einen riesig großen Rochen (Insider für den Rest der Bande: Die Nachermittlungen haben ergeben, dass es tatsächlich ein Adlerrochen war! :-)). Einfach schön – ich mag den Atlantik!
Nach etwa einer Stunde klettern wir wieder ins Boot. Bei etwa 21 Grad Wassertemperatur war mir nicht besonders warm, aber mit meinen schäbig dicken Klamotten aushaltbar. Ich schaue mir die Kolleginnen an: Helga hat offensichtlich schon recht arg gefroren (und erhält für die nächsten Tauchgänge Holgers Eisweste mit Kopfhaube). Andrea hingegen kann gar nicht mehr aufhören zu zittern, ihre Hauttemperatur liegt gefühlt im Minusbereich … puh, sie hat für die nächsten Tauchgänge glücklicherweise noch Neopren dabei!
Das Peter Café Sport
Danach freuen wir uns auf den Abend im legendären Peter Café Sport. Dort gibt es nicht nur den besten Gin, den die Welt je gesehen hat, sondern auch ein ganz besonderes Flair. Die Kneipe, in der man auch prima essen kann, existiert bereits seit 102 Jahren. Hier hat sich immer schon alles getroffen, was auf der Überfahrt über den Atlantik von Europa nach Amerika auf den Azoren Station gemacht hat. Unzählige Banner und Wimpel aus aller Welt hängen in der immer vollen Bar, die Atmosphäre riecht nach Freiheit und großer weiter Welt – einfach ganz besonders! Hungrig machen wir uns erstmal über Unmengen von extrem leckerem Knoblauchbrot als Vorspeise her und auch die Hauptgerichte können sich sehen lassen. Die wollen natürlich nicht trocken verzehrt werden, was zur Folge hat, dass wir wohl alle mehr Gin trinken, als gut für uns ist … dies wird sich leider mehrfach wiederholen ;-)
Rochen, Muränen und jede Menge Fisch …
Am zweiten Tauchtag klingelt der Wecker um halb acht – ekelhaft! Irgendwie habe ich das Gefühl, ich brauche nach dem ganzen Arbeitsstress zu Hause wirklich mal Urlaub, aber was soll man machen? Es gibt zwei Gründe, aus denen ich aufstehe: Erstens die Zeitverschiebung (hier ist es zwei Stunden früher, so dass die gefühlte Zeit nicht ganz so schlimm ist) und zweitens: Ich will tauchen! Vor dem Wachwerden zu frühstücken, finde ich allerdings schwierig … mühsam schiebe ich mir ein halbes Brötchen zwischen die Kiemen. Ich bin irgendwie gestresst und fertig. Gut, dass wir Holgers schwere Unterwasserkamera nicht noch zur Tauchbasis runterschleppen müssen. Wir haben mit Fernando, dem irre witzigen Taxifahrer, der den Transfer vom Flughafen gemacht hat, vereinbart, dass er uns heute (und das wiederholt sich in den nächsten Tagen) in unserer Unterkunft abholt – gute Idee!
Mittlerweile finden wir das Umkleiden am Pier richtig praktisch: Rein in die Klamotten und direkt ab aufs Boot (Andrea ist jetzt auch auf Neopren umgestiegen). Dann geht es auf die andere Seite der Bucht zu den Höhlen am Tauchplatz Gruta do Ilheu und es wird – einfach schön (auch wenn am Einstiegsort ganz schön viele fiese Quallen lauern). Wir haben Glück mit wenig Strömung und finden einen wahrhaft riesigen Rochen, daneben einen dicken Bärenkrebs, eine Muräne, mehrere Drachenköpfe (die sind hier wirklich Standard) und sogar Zackenbarsche. Wieder bin ich beeindruckt von der Menge an Fisch; ich hatte mir ursprünglich vorgestellt, das Tauchen im Atlantik sei eher mit dem Mittelmeer vergleichbar – weit gefehlt!!
Glücklich, wenn auch leicht durchgefroren, klettere ich mühsam an Bord zurück. Wir sind heute mit einem anderen Boot unterwegs und die etwas ungünstig angebrachte Leiter stellt uns vor eine kleine Herausforderung … irgendwie ist aber wohl noch jeder wieder an Bord gekommen :-)
Kaum zurück steht sogleich der nächste Tauchgang an. Ich gebe – noch fröstelnd – für heute auf, will ich doch auf jeden Fall fit sein für die am Folgetag anstehenden Blauhaie. Auch (die andere) Carola entschließt sich stattdessen für ein Mittagsschläfchen, während der Rest sich erneut in die Fluten stürzt – und dieses Mal soll es spannend werden: Wie mir später berichtet wird, gibt es am Boca Caldeirinhas beim Einstieg so richtig Strömung … das ist der Atlantik, wie ich ihn auch noch kennenlernen werde. Aufgrund eines Missverständnisses versuchen Andrea und Helga hinter dem Boot zum Riff zu schwimmen, was aufgrund der Strömung so gar nicht gelingen will, und es wird wohl ganz schön hektisch, bis unser Superguide José die beiden abschleppt – klein und drahtig, aber oho … Dafür werden alle bei dem ansonsten wunderschönen Drift mit allerlei Meeresschönheiten belohnt: u. a. mit Zackenbarschen, einem Bärenkrebs und jeder Menge Drückerfischen.
Danach gibt es auf unserer kleinen Hausterrasse erstmal Dekobier und natürlich Chips … wir wussten gar nicht, dass man so viele Kalorien verbrauchen kann!
Abends kehren wir wieder beim Genuino am Strand von Porto Pim ein und machen uns mal näher mit dem Inhaber vertraut: Der mittlerweile bestimmt über 80-jährige Mann hat in jüngeren Jahren offenbar zweimal in einer Nussschale allein die Welt umsegelt – wovon die Weltkarten mit eingezeichneter Route und die zahlreichen – teils schön schrägen – Mitbringsel aus aller Herren Länder an den Lokalwänden erzählen – schon seeehr cool! Und was isst Florian als (eine von ca. vier) Vorspeisen?? Ich habe das Gefühl, Oktopusse werden wir bei dieser Reise nur im Restaurant zu sehen bekommen (zumal Holger sich ebenfalls einen als Hauptgericht genehmigt) …
Natürlich kehren wir auf unserem Heimweg wieder bei Peter auf einen Gin ein … fast schon Tradition.
Blauhaie hautnah
Am nächsten Morgen werde ich wach und weiß noch, wovon ich geträumt habe: Haie, Haie, viele Haie! Ich fühle mich verdammt aufgeregt – eine Mischung aus ein bisschen mulmig und riesiger Vorfreude auf unseren Blauhaie-Trip. Als wir an der Tauchbasis ankommen, ist Tiago bereits dabei, Fischsuppe zu kochen … natürlich nicht, aber was er da in einem großen Bottich zusammenrührt, besteht nach dem Geruch zu urteilen definitiv aus Fisch und ist als Köder für unsere Haie gedacht. Ich bin zunächst etwas skeptisch hinsichtlich des Anfütterns, aber Tiago – dem es ersichtlich um Meeres- und Artenschutz geht (wie wir später noch mehrfach erleben werden) – erklärt uns, dass er das Anfüttern der Blauhaie im offenen Meer für unbedenklich hält, zumal sich ein Gewöhnungseffekt kaum einstellen kann. Mich überzeugen seine Ausführungen, so dass ich mich langsam einfach nur noch freue.
Dann der erste Schreck: Andrea hat ihren Lungenautomaten in unserer Unterkunft vergessen – gut, dass Holger einen Ersatzregler parat hat.
Der zweite Schreck am Morgen ist übler: Bevor wir aufs Boot steigen, höre ich plötzlich einen lauten Platsch – Helga ist offensichtlich auf einer rutschigen Planke neben der Plattform ausgerutscht … und ist zum Glück nur leicht verletzt, so dass sie trotzdem auf Haitour gehen kann. Dass bei dem Absturz ihre Maske im Wasser zurückgeblieben ist (und viel später von einem Guide herausgefischt wird), merken wir erst während der Bootsfahrt. Und wieder hat Holger Ersatz dabei – was der Kerl alles mit sich rumschleppt!
Schließlich erreichen wir nach ca. einstündiger Fahrt unseren Tauchplatz – das offene, unfassbar blaue Meer. Wir lassen uns treiben, während Tiago mit einer Kelle die leckere Suppe nach und nach ins Wasser gibt. Nach dem zuvor erfolgten Briefing warten wir auf die Haie und lassen uns erst dann ganz vorsichtig ins Wasser gleiten (um sie nicht zu erschrecken), um uns sodann auf etwa fünf Metern an ein Seil zu hängen, welches mit einem Bleistück beschwert frei im Wasser hängt, während das Boot durch den Ozean treibt. Für jeden steht ein eigenes Seil zur Verfügung und wir wurden zuvor aufgefordert, zwei Kilo Blei zusätzlich mitzunehmen, falls das Boot driftet, um zu vermeiden, dass wir an die Oberfläche getrieben werden.
Und dann sind sie da: Bereits vom Boot aus sind drei eindeutige Schatten zu erkennen und mein Adrenalinspiegel steigt wie verrückt. Als Tiago auf meine und Andreas Flossen zeigt und – offenbar nicht im Scherz – anmerkt, dass wir diese mal besser schön ruhig halten, weil die Haie ganz gern einmal in gelbe und weiße Flossen beißen, frage ich mich ernsthaft, was ich hier tue. Will ich wirklich in dieses haiverseuchte Gewässer steigen? Jetzt bin ich halt schon mal hier … Ich bemühe die Haiunfall-Statistik, zähle langsam rückwärts von zehn runter und schwöre mir, ganz bald schwarze Flossen zu kaufen. Dann lasse ich mich vorsichtig ins Wasser gleiten und rutsche langsam am Seil runter – zumindest keine Strömung. Trotzdem habe ich Schnappatmung, weil ich mich mit dem ganzen zusätzlichen Blei (das ich bei Stahlflasche und Backplate schlauerweise auch noch im Rückenbereich platziert habe) kaum aufrichten kann und eher wie eine Schildkröte auf dem Rücken „liege“. Mit meinen weißen Flossen darf ich ja auch nicht schlagen – na toll! Glücklicherweise bemerkt Holger meine Not und entfernt die fiesen Bleistücke, so dass ich mich langsam beruhigen kann. Und – oh mein Gott sind die schööön! Drei wundervolle Blauhaie (davon einer verdammt groß) gleiten zwischen uns dahin – mit ihrer schlanken Gestalt sind sie nach meinem Empfinden wohl die allerschönsten aller Haie. Ich kann mich gar nicht sattsehen an diesem majestätischen Dahingleiten. Auch wenn sie teilweise zentimeterdicht an mir vorbeischwimmen, überwiegt meine jetzt wilde Freude eindeutig die Furcht, die während des 60-Minuten-Tauchgangs weiter nachlässt. Dieses Erlebnis werde ich niemals vergessen!
Auch Holger ist ganz in seinem Element. Er schießt ein Foto nach dem anderen und die wenig scheuen Haie erweisen sich als ausgezeichnete Models. Ich bin allerdings froh, dass ich keine fette Kamera dabeihabe: Offensichtlich reagieren die Blauhaie (wohl wegen ihrer lorenzinischen Ampullen, mit denen sie elektrische Felder wahrnehmen können) auf Holgers dicke Blitzgeräte – mit ihm gehen sie nämlich derart auf Tuchfühlung, dass einer letztlich höchst unsanft gegen das Objektiv stößt und Holger noch einen Schlag mit der Flosse versetzt. Den Fotografen hat‘s gefreut …
War ich am Anfang durchaus skeptisch, will ich nun kaum noch aus dem Wasser, aber nach einer Stunde wird es Zeit … gefroren habe ich dieses Mal keine Sekunde – woran mag das nur liegen?
Auf der Rückfahrt kann ich kaum sprechen und fühle mich demütig – ein unfassbares Erlebnis!
Unfreiwillig tauchfrei
Am nächsten Morgen ist ziemlich klar, dass ich nicht mit zum allerbesten Tauchplatz des Atlantiks, der Princess Alice Banks, fahren kann: Ich habe schlimme Halsschmerzen und fühle mich wirklich fertig. Immer das gleiche: Sobald ich im Urlaub ein bisschen zur Ruhe komme, tummeln sich Viren und Bakterien in meinem Körper (nein, kein Corona!). Eine Weile überlege ich noch, aber tröste mich mit dem Gedanken, dass wir den Tauchplatz am Folgetag erneut aufsuchen werden, weil derzeit das Wetter stimmt und wir kein Risiko eingehen wollen, dass später keine Chance mehr auf eine zweite Fahrt zum besten Tauchplatz des Atlantiks, der über 70 km von der Küste entfernt im offenen Meer liegt, besteht. Schweren Herzens lasse ich die Bande ziehen und schlafe mich richtig aus. Als ich erst um halb elf aus unserem Fenster auf den superblauen Ozean schaue und den – wie fast immer spannend wolkenverhangenen – Vulkan Pico anschaue, rechne ich nicht ernsthaft damit, noch ein Frühstück zu ergattern, aber unsere wundervolle Julia hat offenbar extra auf mich gewartet und verwöhnt mich sogar noch mit frischen Eierspeisen – danke! Jetzt freue ich mich irgendwie darauf, Horta ein bisschen auf eigene Faust zu entdecken, zumal es mir schon besser geht. Kreuz und quer schlendere ich bei wunderschönem Sonnenschein durch die hübschen Gassen des wohl keine 7000 Einwohner zählenden Städtchens, das doch so viel Große-weite-Welt-Flair verbreitet. Ich latsche runter zum Hafen durch ein hübsches „Regenschirm-Sträßchen“, gönne mir einen Galao (= Milchkaffee) am Hafen, schaue mir ein paar einladende Nippes-Läden von innen an und wandere schließlich fröhlich die Hafenpromenade entlang, um mir in aller Ruhe die Kaimauern des Yachthafens anzusehen, auf der wohl sämtliche Atlantiksegler dieser Welt ihre farbigen Erinnerungen in Form von kreativen Malereien verewigt haben – teilweise kann man hier wirklich Kunst entdecken. Ich atme den Geruch der großen weiten Welt ein und nehme mir fest vor, irgendwann mit einem Segelboot von Europa hierher zu kommen (natürlich nicht ohne Tauchausrüstung). Nach gefühlt 1000 schäbigen Handyfotos komme ich auf dem Rückweg an einem kleinen, am Hafen gelegenen Café vorbei. Als ich auf der Karte tatsächlich Peter‘s Gin entdecke, werde ich schwach … danach geht‘s dann noch zum Strand Porto Pim, wo ich mir die Zeit bis zur Rückkehr der übrigen Truppe vertreibe. Auch wenn ich befürchte, heute ein unglaubliches Tauchabenteuer verpasst zu haben – der Auszeit-Tag hat mir wirklich gut getan!
Und mit einiger Verspätung kommt das Boot am Pier an – ich schaue in müde, aber sehr glückliche Gesichter. Es muss unglaublich gewesen sein (mehr dazu morgen). Und Helga hat eine neue Verletzung zu beklagen: Da kam doch tatsächlich eine ganze Horde äußerst angriffslustiger mies gelaunter Drückerfische und ist über alles hergefallen, was sich nicht in einer Millisekunde entfernt hat. Helgas Finger sieht jedenfalls ziemlich blutig aus – diese Mistviecher!
Als Dekobier gibt es heute einen Schnell-Gin bei Peter, und danach müssen wir uns schon ein bisschen beeilen, um rechtzeitig unsere Reservierung im Restaurant Canto da Doca wahrzunehmen – essen vom heißen Stein. Und es wird lecker: Ich halte mich an Fleisch (zumindest im Tauchurlaub nach dem Motto: Fische sind Freunde) und werde nicht enttäuscht.
Princess Alice Banks
Am nächsten Morgen sind meine Halsschmerzen fast weg und ich freu mich nach den Schilderungen von gestern wie Bolle auf Princess Alice Banks, einen Unterwasserberg, dessen Spitze ca. 35 m unter der Meeresoberfläche endet.
Und schon sitzen wir im Speedboot und lassen uns zweieinhalb Stunden zum Tauchplatz fahren. Bereits der Weg ist unglaublich spannend: Unterwegs begegnen uns dutzende „gewöhnliche“ Delfine und eine weitere große Schule Streifendelfine. Unser Bootsmann drosselt jeweils sofort den Motor, damit wir uns die wunderschönen Tiere in aller Ruhe anschauen können – das macht schon mal so richtig gute Laune! Und auf unserem weiteren Weg begegnet uns auch die ein oder andere portugiesische Galeere – jedenfalls kann man das rosafarbene Segel erkennen. Jetzt müsste ich dann doch nicht unbedingt ins Wasser.
Nicht die Ankerleine loslassen!
Als wir unserem Tauchplatz schließlich näher kommen, muss ich an das vorangegangene Briefing denken, das inhaltlich ungefähr wie folgt lautet: Wir sind mitten im atlantischen Ozean. Ihr müsst Euch am Tauchplatz an der Ankerleine festhalten. Wer loslässt, tut dies in eigener Verantwortung. Es kann unvermittelt Strömung auftreten. Der Tauchguide kann die Gruppe nicht verlassen und es kann ggf. nur gesucht werden, bis es dunkel ist. In der Vergangenheit ist ein Taucher Stunden später nur gefunden worden, weil zufällig ein anderes Boot vorbeikam.
Ich beschließe, brav an der Ankerleine zu bleiben!
Endlich angekommen und – das ist hier schwierig – den Anker gesetzt, stürze ich mich rückwärts als einer der ersten erwartungsfroh ins Wasser. Wohl etwas zu vorfreudig, denn leider befindet sich meine Maske irgendwie plötzlich nicht mehr auf dem Gesicht. Neben mir schwimmt auch nichts und ich rufe Holger, der sich noch auf dem Boot befindet, ob er sie irgendwo im Wasser entdeckt. Der stürzt sich ohne Jacket und Blei sofort in die Fluten, kann die sinkende Maske aber auch nicht mehr erreichen – so ein Mist! Innerlich hab ich meine supertolle Atomic-Maske bereits abgeschrieben als Tiago, der wohl in voller Montur bereits im Wasser war, neben mir auftaucht und mir das gute Stück rüberreicht. Puh, das war knapp (und ich werde mich bei Tiago später mit einem guten Tröpfchen als „Finderlohn“ bedanken).
Mantas, Mantas, Mantas
Kaum sind wir an der Ankerleine abgetaucht, geht es auch schon los. In dem unglaublich blauen Wasser tauchen wie aus dem Nichts zahlreiche Mobulas auf: Ich fühle mich wie in einer außerirdischen Welt. Es ist so spooky, wie die fremdartigen Wesen zu Dutzenden an uns vorbeisegeln. Weil ich mich nicht länger am Seil festhalten will, hake ich mich mit dem Karabiner an meiner mitgebrachten Leine am Ankerseil ein, um ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Sehr angenehm. Mich längerfristig ganz vom Seil zu lösen trau ich mich trotz derzeit fehlender Strömung bei dem tückischen Atlantik (das werden wir später noch richtig kennenlernen) dann doch nicht. Aber was für ein Erlebnis! Neben den ganzen Mobulas sehe ich eine schier unendliche Wand von Barracudas – ein Riesenschwarm – und dann noch eine unglaublich große Schule von Bernsteinmakrelen – ich weiß kaum noch, wo ich hinschauen soll! Und ich kann definitiv sagen, dass ich noch niemals ein derartig intensiv-blaues Meer gesehen habe!
Nach einem der beeindruckendsten Tauchgänge, die ich je erlebt habe, klettern wir zurück auf‘s Boot – der Wahnsinn!
Nach kurzer Oberflächenpause geht es wiederum ins Wasser – mehr, mehr! Und wir zählen dieses Mal sage und schreibe 31 Mobulas auf einen Haufen. Allerdings ruckt es nach ca. zehn Minuten am Seil – ich bin erstmal noch so geflasht, dass ich gar nicht realisiere, was passiert, bis ich bemerke, dass allein Andrea, Florian und ich noch im Wasser sind. Schnell tauchen wir auf – der Anker hat nicht gehalten und das Boot driftet. Zehn Minuten später – der Anker liegt jetzt wieder fest – geht es zurück ins Wasser. Und wir erleben noch einmal 50 Minuten das absolute Highlight des Tauchens im Atlantik. Und ich lasse mein Seil nicht los, weil ich von dieser unfassbaren Anzahl Mobulas so beeindruckt bin, dass ich eine beginnende Strömung nicht einmal bemerken würde …
Wieder an Bord weiß ich, dass ich heute eins meiner drei allerschönsten Taucherlebnisse gehabt habe … und sogar die Drückerfische waren friedlich …
Was für ein Tauchtag! Die leckeren Sandwiches, das Obst und vor allem die Schokolade, die es an Bord gibt, tun jetzt richtig gut …
Noch mehr Delfine …
Und unser Ausflug ist noch nicht zu Ende: Die Rückfahrt wird ganz schön ruppig, aber ich mag raues Meer (die Bandscheiben müssen da durch). Wieder sehen wir zwei große Schulen Delfine – große Tümmler und gefleckte Delfine. Sogar ein unglaublich niedliches Delfinbaby können wir entdecken! Einfach ein unglaublicher Tag!
Zu dessen Feier haben wir abends einen Tisch im – so scheint es – besten Hotel am Platz, dem Pousada Forte da Horta, reserviert. Das Ambiente ist so richtig schicki – leider im Gegensatz zum Service. Unglaublich, wie lange man bereits auf Getränke warten kann; das Essen wird dann ca. zwei Stunden nach Ankunft serviert … immerhin ist es lecker! Und die phänomenale Aussicht über den Yachthafen entschädigt ohnehin.
Wunderschönes Horta …
Da wir am nächsten Tag tauchfrei haben, müssen wir den Abend heute mal verlängern – wie gesagt, der Gin bei Peter ist einfach der beste. Das sieht Florian offenbar nicht so: Eine kleine motorische Unsicherheit und der erste Gin durchnässt nicht nur die arme Helga, sondern duscht auch noch die junge Dame am Nebentisch – Mann Florian, wenn Du ein Date willst, frag doch einfach freundlich, wie jeder andere auch! Im Ernst: Florian ist sehr peinlich berührt – niedlich – und gibt erstmal für alle einen aus: Gute Idee! Leider – wir waren gerade richtig im Thema – ist coronabedingt ab 24 Uhr Sperrstunde – gut, dass wir in unserer Unterkunft noch über geeignete Absacker verfügen …
Ausschlafen – wie schön! Und dann erstmal ein ausgiebiges Frühstück genießen und bei schönstem Wetter durch die Gassen von Horta schlendern. Ich liebe diesen Ort, den zumeist wolkenverhangenen Pico, das wechselhafte, aber warme Wetter und genieße es, die Atmosphäre zu inhalieren. Die Farben machen einfach fröhlich: Sattes Grün, unglaubliches Blau und – statt Hochhäusern – so viele hübsche alte Häuschen, teilweise äußerst liebevoll restauriert, teilweise noch restaurierungsbedürftig. Und diese wunderschönen Gärten, umrahmt von altem Gemäuer, auf dem sich reichlich niedliche Eidechsen tummeln. Ich bin neidisch, was hier alles wächst: Neben den obligatorischen Bananenpflanzen und Palmen herrscht eine unglaubliche Blütenpracht – nicht nur die Hortensien sind sowas von überdimensioniert. Daneben noch viele Sträßchen mit Kopfsteinpflaster – apropos Straßen: Es ist immer wieder interessant, diese zu überqueren. Macht man dies an einem der zahlreichen Zebrastreifen, gehen die Autofahrer derart auf die Bremse, dass man meinen könnte, bei Überfahren eines Fußgängerüberwegs drohe mindestens die Todesstrafe. Überquert man die Straße anderweitig, scheint das Überfahren von Fußgängern demgegenüber zum guten Ton zu gehören – gefäährlich!
Wir genießen einen lockeren Tag und reservieren für abends einen Tisch in der Markthalle – wir wollen portugiesische Tapas essen. Und das machen wir dann auch: Es gibt insbesondere lecker Käse und Schinken mit passendem Rotwein – mmmmh!
Grasgrüne Steilwände …
Am nächsten Tag gibt es wieder etwas Strömung am Tauchplatz Furnas. Wir entdecken ein „Gerippe“, soll wohl ein altes Holzwrack sein, und die Strömung treibt uns hin und her. Die Landschaft ist einfach wunderschön, vor allem die grasgrünen Steilwände. Zwischendurch versuche ich, mich an einem Felsen festzuhalten – aua, schön die Hand blutig gehauen (ich lerne: Handschuhe sind bei Strömung nicht so schlecht). Schließlich tauchen wir ziemlich weit in eine hübsche Höhle hinein, um die Adlerrochen, die hier ihr Unwesen treiben sollen, zu entdecken: Heute leider Fehlanzeige, aber wir werden wiederkommen! Der Tauchgang war jedenfalls superschön mit vielen vielen Muränen und unglaublich zahlreichen kleinen Drachenköpfen, die hier wirklich überall faul rumliegen.
Leider bin ich erkältungsmäßig immer noch ein wenig angeschlagen und das ist hier natürlich auch kein Blümchentauchen, so dass ich mit der weiteren Carola den zweiten Tauchgang schweren Herzens sausen lasse, stattdessen ein Schläfchen mache und später wieder zur Tauchbasis latsche.
Mmmh Stechrochen …
Irgendwann legt das Boot mit dem Rest der Bande am Steg an: Sie waren am Tauchplatz Ilheus de Madalena an den dem Pico vorgelagerten Inseln. Den Gesichtsausdrücken zufolge muss es gut gewesen sein. Holger erzählt von einem recht flachen Tauchgang auf Sand mit Felsen – zwei Stechrochen inklusive. Offenbar konnte man dann durch einen schmalen, oben offenen Durchgang auf die andere Seite der Insel tauchen – bei nicht allzu starker Strömung. Morgen bin ich wieder dabei!
Nach dem obligatorischen Dekobier nebst kleinem Chips-Arrangement und warmer Dusche geht es wieder runter ins Städtchen. Dieses Mal trinken wir unseren Gin-Aperitiv am Hafen – Andrea versucht mal einen Cuba-Libre, aber die wird auch wieder umsteigen. An Peter‘s Gin führt halt kein Weg vorbei …
Und schließlich erreichen wir das von Tiago wärmstens empfohlene (und bis zum allerletzten Platz gefüllte) Restaurant Atlético, das zu meinem absoluten Favoriten wird: Von außen recht unspektakulär zeigt sich im Inneren ein Garten in Holz und Pflanzen, einfach ein wunderschönes Ambiente. Ich versuche auch hier mal einen Gin (man gewöhnt sich halt langsam dran) und bin etwas irritiert, weil er in unglaublich riesigen Gläsern (wohl eher Vasen) serviert wird. Vielleicht nicht ganz so lecker wie bei Peter, aber dafür ist das Essen einfach königlich! Empfehlenswert ist unbedingt Fisch in jeglicher Sortierung (und eine vorherige Reservierung, da die Schlange vor dem Restaurant immer locker 30 Meter lang ist).
Schwarze Korallen?
Was machen wir am nächsten Tag? Warum nicht ausnahmsweise mal tauchen?! Heute fahren wir etwas weiter raus am Strand von Porto Pim vorbei zum Tauchplatz Baixa da Feteira, wo es schwarze Korallen geben soll. Wir tauchen ab zu einem L-förmigen Felsen – die Strömung ist nicht ganz ohne. Wer Handschuhe hat, mit denen er sich zwischendurch am Gestein festhalten kann, ist eindeutig im Vorteil – man lernt :-) In der Ferne schwebt ein Adlerrochen vorbei, aber ich kann einfach keine schwarzen Korallen entdecken. Die hellbraunen finde ich allerdings auch schön – peinlich: Holger erklärt mir später, dass lediglich das Skelett der Korallen schwarz ist und daraus (leider) häufig Schmuck gemacht wird. Also: hellbraune Korallen = schwarze Korallen, und schon wieder was gelernt!
Gassi gehen mit Rochen
Der zweite Tauchgang findet leider wieder ohne mich statt: Immer noch Halsweh und ziemlich platt – ich muss morgen unbedingt fit sein für die Wale!
Nachdem die anderen wieder losgefahren sind, bemerke ich, dass die andere Carola – ins Hafenbecken schauend – ganz hektisch wird. Sie hat einen wirklich riesigen kreisrunden Stechrochen entdeckt, der gemächlich in Schrittgeschwindigkeit die Kaimauer entlangschwimmt – unfassbar. Wir begleiten ihn bestimmt fast 200 Meter – Gassi gehen mit Rochen, das entschädigt wirklich für einen verpassten Tauchgang!
Röhrenwürmer und Zackenbarsche
Der zweite Tauchgang findet leider wieder ohne mich statt: Immer noch Halsweh und ziemlich platt – ich muss morgen unbedingt fit sein für die Wale!
Nachdem die anderen wieder losgefahren sind, bemerke ich, dass die andere Carola – ins Hafenbecken schauend – ganz hektisch wird. Sie hat einen wirklich riesigen kreisrunden Stechrochen entdeckt, der gemächlich in Schrittgeschwindigkeit die Kaimauer entlangschwimmt – unfassbar. Wir begleiten ihn bestimmt fast 200 Meter – Gassi gehen mit Rochen, das entschädigt wirklich für einen verpassten Tauchgang!
Mehr als Whale-Watching …
Und am nächsten Morgen ist es so weit: Es geht auf Whale-Watching-Tour. Und ein Blick aus dem Zimmerfenster nach dem Aufstehen sagt mir: Kein Pico zu sehen weit und breit, stattdessen diesig mit Nieselregen – igitt! Ich schwöre heute auf Zwiebellook mit Regenmantel (Holger sieht aus wie Bibo aus der Sesamstraße) – auf Sonnencreme kann ich locker verzichten (dachte ich). Egal, ich freu mich wie Bolle, weil ich noch niemals einen Wal gesehen habe und Tiago uns ernsthaft Hoffnung gemacht hat.
Und dann brettern wir im großen Schlauchboot bei mindestens 100 % Luftfeuchtigkeit vermummt über den Atlantik – kalt ist es jedenfalls nicht. Und kaum ist eine halbe Stunde vorbei, schwitze ich bei aufkommendem Sonnenschein. Das Wetter auf den Azoren ist echt irre.
Nach ca. einer Stunde Fahrt ein plötzlicher Stopp – und Joana steckt eine Art Hörrohr ins Wasser, um die Wale zu orten – sieht cool aus.
Groß, größer, Pottwal …
Plötzlich wird Joana hektisch – sie ist voll in ihrem Element – und feuert ihre Bootjungs an, in eine bestimmte Richtung zu steuern. Da ist was, da ist was! Und dann erkenne ich in nur ca. 50 Metern Entfernung zwei Wasserfontänen. Mir bleibt fast die Luft weg, als wir unter der Wasseroberfläche zwei riesengroße Körper erkennen: Pottwale, wie irre ist das denn?! Joana erklärt freudestrahlend, dass die beiden gerade ein Päuschen einlegen, bevor sie wieder abtauchen und sich auf ca. 1000 Metern Tiefe auf Futtersuche begeben – und da sieht man sie auch schon, die typische große Pottwalschwanzflosse.
Holgers Kamera rattert wie blöd und ich gebe selbst mit meinem Handy mein bestes, auch wenn das Fotografieren bei Gegenlicht eher mäßig funktioniert. Das ist aber eigentlich vollkommen egal, weil ich die Bilder für immer in meinem Kopf gespeichert habe. Insgesamt sehen wir noch weitere Pottwale an insgesamt drei Plätzen – einmal sogar drei Tiere auf einmal.
Einfach nur schön!
Sooo viele Grindwale …
Irgendwann machen wir uns auf den Heimweg – und entdecken plötzlich unzählige Rückenflossen. Delfine? – Nee zu groß! Wow, Grindwale, eins zwei drei ganz viele! Und wie nah sie an unser Boot kommen – wir verweilen und staunen. Andrea steckt ihre GoPro ins Wasser – vielleicht ist später etwas zu erkennen. Ich weiß nicht genau, warum, aber Wale machen einfach glücklich!
Zweisam über die Weltmeere …
Und dann entdecken wir plötzlich noch eine kleine Schildkröte, die allein in Oberflächennähe im offenen Ozean schwimmt – nein, nicht ganz allein. Unter dem Tier befindet sich ein Fisch, von dem Joana zunächst vermutet, dass es sich um einen Baby-Blauhai handelt, der sich allerdings später als kleiner Delfinfisch herausstellt – sowas habe ich auch noch nie gesehen (und der findet sich später ziemlich brauchbar auf Andreas GoPro wieder). Joana erklärt uns, dass sich der Fisch unter der Kröte vor Fressfeinden versteckt und sich die kleinen Schildkröten zunächst Jahre mit den Strömungen durch die Meere gleiten lassen, bevor sie sich erst viel später an den Küsten niederlassen – immer gut, wenn man Meeresbiologen dabei hat …
Und noch mehr Delfine …
Später treffen wir noch auf Delfine – wie schön! Joana hatte angekündigt, dass möglicherweise noch Schnorcheln mit Delfinen auf dem Programm steht, allerdings ohne Flossen und nur dann, wenn die Tiere von sich aus nahe herankommen und Lust auf sowas haben. Diese hier haben ganz offensichtlich keine Lust und ich habe überhaupt kein gutes Gefühl, als ich ein anderes Boot beobachte, das den Delfinen mit hoher Geschwindigkeit nachjagt, um die Gäste in der Nähe der flüchtenden Tiere ins Wasser zu werfen – geht gar nicht! Ich habe heute sooo viel Tolles gesehen und bin sehr froh, dass wir bei verantwortungsvollen Tauchbasisleitern gelandet sind, die sich aktiv für den Meeresschutz einsetzen und denen die Liebe zu den Ozeanbewohnern förmlich aus den glänzenden Augen springt.
Das macht sich auch nach unserer Rückkehr bemerkbar: Die eigentlich sonst recht distanziert wirkende Joana erzählt uns noch lange über das Leben verschiedener Walarten und deren Verhalten – ich habe das Gefühl, einen echten Bezug zu diesen einmaligen Unterwasserbewohnern zu bekommen. Und schon wieder ein Erlebnis, das mir für immer im Gedächtnis bleiben wird!
Im Anschluss müssen wir unbedingt shoppen – ich ergattere bei DiveAzores ein wunderbar kuscheliges Kapuzenshirt mit Pottwal und zwei T-Shirts mit Blauhai und Mobula – Fisch-Shirts gehen auch später fürs schäbige Büro!
Danach gibt es noch eine „Vase“ Gin und ein phänomenales Essen im Atlético, einen kleinen Absacker bei Peter und ein frühes Bettchen. Morgen können wir ausschlafen!
Nach einem gemütlichen Frühstück finden wir uns gegen 11 Uhr an der Tauchbasis ein – endlich mal nicht müde! Holger hat ausnahmsweise sein Macro-Objektiv ausgepackt: Also heute bitte keine Walhaie ;-)
Vulkankrater nebst Blumenwiese …
Wir fahren zum Tauchplatz Baixa do Sul und gehen „zwischen den Inseln“ ins Wasser, um uns einen alten Vulkankrater anzuschauen. Glücklicherweise gibt es keinerlei Strömung – sehr häufig soll es hier kesseln wie Hulle, so dass der Platz für Normalos wie mich nur zeitweise betauchbar ist. Und wir gleiten über eine riesige „Blumenwiese“ – ich wusste gar nicht, dass Algen (genauer: Trichteralgen) sooo hübsch sein können. Dann entdecken wir beeindruckende Vulkankrater von ca. zehn Metern Durchmesser – und in einem befindet sich ein riesiger Zackenbarsch – nur wow!! Da sind die beiden superfetten Bärenkrebse, die wir in einer Spalte entdecken, die vielen kleinen Drachenköpfe und die lustigen kleinen Kugelfische schon fast Nebensache – und ein unglaublich großer Stechrochen rundet diesen für mich absoluten Top-Tauchgang noch ab. Mit Grinsegesicht tauche ich auf – wiiiee schööön!
Nachts im Atlantik …
Am Nachmittag müssen wir uns für den folgenden Nachttauchgang stärken: Wir gehen in die kleine Imbisskneipe, in der Holger an unserem Ankunftstag Bier geholt hat, und essen leckeres Burger-Fastfood für außerordentlich kleines Geld – kann man gut machen!
Und schließlich wird es nicht nur ziemlich romantisch, sondern absolut sensationell: Nightdive am Entre Montes, dem Tauchplatz unseres Check-Dive zu Beginn. Das Fazit vorab: Das war einer der allerbesten Nachttauchgänge, die ich jemals erlebt habe!
Wir sind erst gegen 22 Uhr im Wasser – schön spooky – und sehen sooo viel Fisch! Da finden sich im Schein der Lampen neben so vielen anderen Fischen etliche Kugelfische, Eidechsenfische, Papageienfische, fette Krabben, Flundern, Bärenkrebse und eine wundervolle Tigermuräne … und die Stimmung im absolut dunklen Atlantik … oh Mann, ich liebe solche Nachttauchgänge!
Nach etwa einer Stunde tauchen wir auf und ich bin so geflasht. Ok, jetzt ist es schattig. Zurück an der Tauchbasis müssen wir uns beeilen wie verrückt: Es ist bereits fast halb zwölf und um Mitternacht beginnt die Corona-Sperrstunde, was bedeutet, dass es bei Peter keinen Deko-Gin mehr gibt. Wer als erster umgezogen ist, muss lossprinten- und es klappt schließlich kurz vor knapp … Timing ist perfekt!
Andreas 200. …
Danach kippen wir todmüde ins Bett, um am Morgen mit einem irgendwie ekligen Gefühl aufzuwachen: Der Tag des letzten Tauchgangs ist gekommen. Immerhin feiern wir Andreas 200. – und sie hat sich entschlossen, ihn angemessen zu begehen. Wir nehmen dann zwar doch Abstand von dem ursprünglichen Vorhaben, den extra schäbigen Sekt mit Salzwasser gemischt unter Wasser zu trinken (den gibt es später als übles Deko-Getränk); dafür stellen Helga, Andrea und ich uns am Tauchplatz Furnas brav mit drei Zahlen in der Hand fotogerecht unter Wasser auf. Wieso gibt man mir bloß die 2 – war doch klar, dass ich sie für‘s Foto falschherum halte – ja, lästert nur, eine 0 hätte ich auch gekonnt.
Böööser Atlantik …
Ansonsten wird der Tauchgang spannend – vielleicht aufregender, als mir so zum Schluss lieb ist … Erstmal ist alles gut – die wunderschön grün gefärbte Steilwand ist unverändert entzückend, wir treffen jede Menge Fisch, wiederum zahlreiche Muränen und als wir in die Höhle tauchen, begegnen uns dieses Mal auch die angekündigten Adlerrochen – zwei wundervolle Exemplare segeln mehrfach an uns vorbei. Soweit alles großartig. Und als ich so langsam beginne, mich wie in jedem Tauchurlaub unter Wasser einigermaßen theatralisch von jedem einzelnen Fisch zu verabschieden, um sodann um eine Ecke zu biegen … aaah, shit, was passiert … ich sehe noch im Augenwinkel, wie Florian in plötzlicher Mega-Strömung abschmiert und klammere mich wie verrückt an die Felswand (ich sag nur: Handschuhe sind klasse). Das kesselt wirklich wie die Sau und mir ist vollkommen klar, dass ich hier nicht lange hängen werde – hiiilfe. Ich schaue zu Holger … häää? Wieso steht der Mann keine fünf Meter vor mir entspannt im Wasser und winkt mich zu sich? Todesmutig stoße ich mich vom Felsen ab und … drei Meter neben der Wand ist wirklich Null-Strömung. Ich verstehe den Atlantik echt nicht, aber wir biegen jedenfalls zur Sicherheit wieder um die Ecke und bleiben locker im Strömungsschatten, wohin sich auch Andrea und Helga gerettet haben. Um Florian muss man sich glücklicherweise keine Sorgen machen – wir sind in einer Bucht und das Boot befand sich immer in unserer Nähe. Unser Guide bittet Holger, eine Boje zu schießen (seine eigene konnte er offenbar in der Mega-Strömung nicht mehr halten) und wir warten entspannt, bis das Boot uns schließlich aufsammelt. Der zuvor abgetriebene (und anderweitig aufgetauchte) Florian ist auch bereits wieder an Bord – das war ja mal ein aufregender letzter Tauchgang!
Auf der Rückfahrt zur Tauchbasis blicke ich schon ziemlich wehmütig über den unglaublich blauen Atlantik … diese Farbe ist wirklich unerreicht und ich könnte noch ewig bleiben, habe ich mich doch gerade an das schon etwas anspruchsvollere Tauchen gewöhnt.
Aber ich weiß, dass Holger und ich definitiv wiederkommen werden…
Blumeninsel Faial …
Und wir sind ja auch noch gar nicht weg. Abends geht es erstmal wieder lecker essen, und am letzten Tag steht eine Rundfahrt über die Insel Faial auf dem Programm.
Dazu holt uns Fernando am nächsten Morgen nach einem ausgiebigen Frühstück mit seinem Großraumtaxi an unserer Unterkunft ab. Fernando, der uns die ganze Zeit zu erstaunlich niedrigen Preisen hin- und hergefahren hat, ist wirklich unglaublich unterhaltsam … sein überaus häufiges Lachen erinnert an ein Mainzelmännchen und er erzählt wirklich witzige Geschichten.
Und endlich lernen wir unsere wunderschöne Insel ein bisschen näher kennen: Zunächst geht es zu einem hochgelegenen Aussichtspunkt, der einen tollen Blick auf Horta und den dazugehörigen Hafen bietet. Die Kameras kommen zum Einsatz.
Die Caldeira …
Über lauschige Sträßchen fahren wir sodann weiter an weitläufigen blauen Hortensienhecken (kein Wunder, dass Faial als Blumeninsel bekannt ist) vorbei bis wir zur in der Mitte der Insel gelegenen Caldeira kommen, einem riesigen Vulkankrater, dessen Außenränder von tiefliegenden Wolken eingehüllt werden – Hammer! Allerdings liegt die Außentemperatur hier auf über 1000 m gefühlt mindestens zehn Grad unter der in Horta und es ist windig – hätte ich bei der Klamottenwahl vielleicht berücksichtigen sollen – frier frier …
Glückliche Kühe …
Danach fahren wir Richtung Nordwesten über unbefestigte Straßen durch wunderschöne grüne Natur und gucken Kühe, die hier nicht nur sehr zahlreich, sondern ausnehmend niedlich sind und ziemlich glücklich aussehen. Und dann schon wieder ein Superblick auf grün und blau am Aussichtspunkt Ribeira das Cabras – die Handys und Fotoapparate sind mittlerweile im Dauereinsatz.
Vulkanlandschaft am Capelinhos
Danach müssen wir natürlich noch zum Capelinhos, einem Vulkan am Westzipfel der Insel: Plötzlich ändert sich die Landschaft und eine Asche- und Steinwüste sowie eine ockerrote Lavasteilwand zeugen davon, dass es hier im Jahr 1957 zu einem heftigen Vulkanausbruch gekommen war. Faial ist dadurch ein bisschen größer geworden; die Bewohner wird dies jedoch kaum gefreut haben, sieht man doch immer noch Giebelreste verschütteter Häuser aus Sand und Asche ragen. Wir überlegen noch, ob wir das unterirdisch gelegene Informationszentrum besuchen sollen (soll wirklich sehenswert sein), entscheiden uns aber schließlich dagegen – einfach zu viel Input und wir müssen ja auch noch weiter …
Naturschwimmbecken in Varadouro
Und der nächste Halt auf unserem Weg nach Südosten ist auch etwas Besonderes: An der zerklüfteten Küste bei Varadouro taucht plötzlich ein beeindruckendes Naturschwimmbecken auf, in dem sich so einige Badegäste tummeln. Und direkt nebenan überschlagen sich mehrere halbwüchsige Jungs beim Turmspringen in die abgezäunte Bucht – sieht ganz schön verwegen aus.
Carola und Jörg beschließen, ein Bad zu nehmen während den Rest der Hunger in das gegenüberliegende Fastfood-Restaurant treibt.
Wir beschließen unsere Inselrundfahrt sodann mit einem weiteren Aussichtshighlight auf der kleinen (in weiten Teilen unter Naturschutz stehenden) Halbinsel Monte da Guia. Der Blick von der Kapelle Nossa Senhora da Guia ist – trotz leichter Bewölkung – wirklich traumhaft: Insbesondere das türkisfarbene Meer in der Bucht von Porto Pim inklusive der Dächer von Horta ist einfach sehenswert!
Abschied …
Am Nachmittag müssen wir natürlich noch an unserer Tauchbasis vorbei: Stempel für‘s Logbuch abholen und uns von Joana, Tiago, José und allen anderen verabschieden. Nicht nur für meine gerettete Maske bedanke ich mich mit einer Flasche Constantino – einem seeehr leckeren einheimischen Brandy (echt empfehlenswert!). Die nahende Heimreise macht mich plötzlich sehr traurig. Holger geht‘s genauso, der würde am liebsten bleiben und fragt Tiago schon nach den Immobilien- und Mietpreisen auf Faial – wer weiß, wo es uns in Zukunft noch einmal hin verschlägt …
Am Abend kehren wir natürlich noch einmal in unserem Lieblingsrestaurant, dem Atlético, ein – lecker essen – und dann geht‘s auf ein paar Abschiedsgin selbstverständlich noch zum Peter Café Sport. Gerne würde ich ein Fläschchen mit nach Hause nehmen, aber das lässt unsere Gepäcksituation einfach nicht zu. Helga scheint da kein Problem zu haben (die hatte auf dem Hinweg schon reichlich Fressalien dabei) – das muss ein echter Zauberkoffer sein!
Am nächsten Morgen holt uns Fernando ein letztes Mal ab und fährt uns zum Flughafen – ciao wunderschöne Azoren!
Das Fazit …
Ok, an der Wassertemperatur (von 21 bis 23 Grad an der Oberfläche) kann man noch arbeiten, aber die ist selbst für einen Friermenschen wie mich mit dickem Anzug (und genug Adrenalin) gut auszuhalten.
Ansonsten:
Diese Reise war eine der aufregendsten meines Taucherlebens und hat wirklich alle meine Erwartungen weit übertroffen. Holger, der spannende Tauchgänge über alles liebt, ist ohnehin absolut begeistert.
Princess Alice Banks und das Blauhai-Tauchen waren natürlich eindeutig das Spektakulärste im Abenteuerland, aber auch alle anderen Tauchgänge – insbesondere der Nachttauchgang – haben mich unglaublich glücklich gemacht. Holger und ich sind uns einig, dass wir noch niemals derart intensiv-blaues Wasser gesehen haben. Hinzu kamen die unglaublich farbenfrohe Schönheit der Insel, das Seefahrer-Flair von Horta, unsere tolle Unterkunft, die absolut kompetente und angenehme Tauch-Crew, das leckere Essen und natürlich Peter‘s Dekogin.
Und was ich am allerbeeindruckendsten fand? Das war eindeutig die Helga, hat sie uns doch allen gezeigt, dass man mit 69 Jahren (Helga, entschuldige das Outing) nicht nur klasse aussehen, sondern vor allem topfit, trinkfest, lustig und vollkommen schmerzfrei sein kann – großartig!
Ganz vielen Dank erstmal an die Truppe: Ihr habt die Tour zu dem gemacht, was sie war – für mich eine absolute Traumreise! Und natürlich ein herzliches Dankeschön an Joana, Tiago und José von DiveAzores (das ist authentische Liebe zum Meer) sowie an Julia, unsere Frühstücksfee, und an Fernando, den witzigsten Taxifahrer überhaupt!
Wir kommen wieder …
Deshalb muss ein weiterer Trip ins Abenteuerland her: Die nächste Azorenreise wird stattfinden…