Liebe Tauchfreunde,
nach einer doch etwas längeren Pause freue ich mich, dass ich mich endlich mal wieder mit einem Reisebericht melden und über die endlich mal wieder stattfindende Messe boot in Düsseldorf berichten kann.
Zunächst möchte ich Ihnen aber allen noch ein fröhliches, gesundes und reisefreudiges neues Jahr wünschen und hoffe, dass 2023 für Sie alle gut und lustig begonnen hat… So viel Zeit muss sein.
Ich hatte einen fantastischen Jahreswechsel und bin voller Tatendrang, Optimismus und „Vorspannung“ (ich liebe es neue Wörter zu kreieren) für die kommenden Monate. Viel Bekanntes und zugleich viel Neues steht an und ich bin so was von bereit dafür…
Nun aber zu Sonne, Strand und Tauchen. Die Karibik. Meine emotionale Seelenheimat. Endlich konnte ich mal wieder Richtung Westen reisen und eine kleine Inselgruppe ein zweites Mal besuchen.
CAYMAN ISLANDS
Die Cayman Islands waren für mich seit dem Film „Die Firma“ mit Tom Cruise aus dem Jahr 1993 ein karibischer (Taucher-)Traum. Als ich damals mit 16 Jahren im Kino saß und Gene Hackmann beim Tauchen zusehen durfte, war für mich klar, dass ich diese wunderschönen Inseln auch mal erleben möchte.
2005 wurde dieser Traum dann wahr und ich war im Rahmen einer vom Tourist Board organisierten Inforeise auf den Cayman Islands. Als wir ankamen, strahlte die Sonne und die Karibik zeigte sich von ihrer besten Seite. Doch dann war der Spaß sehr schnell vorbei und es fing an zu regnen. Anfangs dachten alle, das geht schnell vorbei, wie es in der Karibik eben meistens so ist, aber dem war nicht so. Aus Stunden wurden Tage. Aus Tagen wurde bis zu unserer Abreise. Alles war grau, nass und dunkel. Nicht ein schönes Foto ist dabei entstanden. Klar, es war Nebensaison und auf dem Papier die ungünstigste Zeit, aber dass es gleich so konstant kübeln musste, war dann doch sehr ungewöhnlich. Das Tauchen fand ich prinzipiell damals schon großartig, aber wenn man aus dem Wasser kommt und es gefühlt unter Wasser wärmer und trockener ist, als auf dem Boot, dann trübt das den Spaß und damit das gute Gefühl doch sehr.
Unterm Strich, das konnte ich so nicht stehen lassen! Es war klar, aller guten Dinge sind Zwei. Ich musste nochmal auf die Caymans! Und im März 2022 war es dann schließlich so weit. Zur besten Jahreszeit durfte ich die Cayman Islands ein weiteres Mal erleben und dieses Mal – so viel sei vorweggenommen – konnte ich jede Sekunde maximal genießen und traumhafte Momente aufsaugen. Ach ja, das Wetter war genauso fabelhaft wie die Inseln selbst…
ANREISE
Wie bei so vielen besonderen karibischen Zielgebieten ist die Anreise auch hier durchaus ein Faktor. Easy Non-Stopp gibt es leider nicht. Eine Zwischenübernachtung auf der Hinreise ist also immer mit dabei. Entweder in London oder in den USA, beide Varianten sind machbar. Wer möchte, kann problemlos aus der Not eine Tugend machen und hierbei einen kleinen, individuellen Zwischenstopp einlegen, was ich persönlich immer sehr gerne mache. Auf der Rückreise geht es allerdings direkt wieder zurück nach Deutschland.
In diesem Fall bin ich mit der British Airways über London geflogen, habe dort eine Nacht verbracht und war bereits am Tag darauf in George Town – der Hauptstadt der Cayman Islands. George Town befindet sich auf der größten Insel der Caymans, und zwar (Vorsicht: Überraschung!) auf Grand Cayman.
GRAND CAYMAN
Diese Insel ist touristisch so etwas wie das Herz der Caymans. Nicht nur wegen der Hauptstadt George Town, sondern vor allem auch wegen einem der Aushängeschilder der Caymans schlechthin: dem Seven-Mile-Beach. Ein absoluter Traumstrand.
Wenn man sich Grand Cayman auf einer Karte ansieht, so hat die Insel – wie ich finde – die Form eines nach links schwimmenden Pottwals. In diesem Bild wäre George Town quasi das Auge und der Seven-Mile-Beach so etwas wie die Stirn des Pottwals. Und ein Pottwal hat ja wirklich eine sehr lang gezogene Stirn! Genauso weitläufig ist auch der Seven-Mile-Beach (was übrigens deutlich besser klingt als 10-Kilometer-Strand, weshalb ich bei der englischen Bezeichnung bleibe)… Ich bin den Strand einmal fast komplett von Norden nach Süden abgelaufen und das war ein ganz schöner Marsch. Aber bei dieser mehr als wunderschönen Kulisse ist so ein Strandspaziergang der pure Genuss. DENN es gibt keine Promenade, keine verstörende Touristenshops oder irgendwelche Partybutzen für Sauftouristen, sondern der Strand darf sich hier voll entfalten. Klar, es gibt viele Hotels, aber der Strand ist komplett öffentlich. Jeder kann sich überall hinlegen und diese atemberaubende Szenerie genießen. Der Seven-Mile-Beach ist nämlich sehr flach, sehr breit, sehr weiß und das Meer ist sehr türkisblau…
Im Übrigen bin ich erfreulicherweise auf dieser Reise nicht alleine, denn ich werde begleitet von Martin (Strmiska), der schon auf vielen Reisen für uns als Fotograf unterwegs war. So hat er unter anderem schon unglaubliche Bilder von den Corn Islands in Nicaragua gemacht, die nach wie vor mit die aussagekräftigsten Bilder der Karibik sind, die wir auf unserer Homepage haben… Martin liebt die Karibik und war sofort Feuer und Flamme, als ich ihm von dem geplanten Cayman Islands-Trip erzählt habe, was mich natürlich sehr gefreut hat.
An unserem ersten Abend auf Grand Cayman verschlägt es uns in ein typisch karibisches Restaurant mit viel Holz, Urlaubsmusik und bunten Schildern auf denen inspirierende Sprüche stehen, wie „Live the Sunshine, swim the Sea, drink the wild Air“. Die beiden Kellner sind sofort einladend freundlich, man scherzt, man flachst, man lacht – hier fühle ich mich zu Hause. Die Speisekarte macht uns die Entscheidung schwer, aber schließlich bestellen wir euphorisch sieben Fishtacos. Schon bei der Bestellung, fragt der Kellner irritiert nach. So gierig?! Aber wir haben Hunger und sind voller Euphorie, weshalb wir bei unserer Entscheidung bleiben. Die Fischstücke unserer Tacos sind dann so groß, dass man das Gefühl bekommt, hier wird nicht gewinnoptimierend gearbeitet. Fabelhaft! Maximal gesättigt und vom Jetlag ausgeknockt, fallen wir danach zügig ins Bett.
COBALT COAST DIVE RESORT
Unsere erste Station ist das im Norden befindliche Cobalt Coast Dive Resort. Um in dem Bild von oben zu bleiben, fahren wir also zum oberen Kopf des Pottwals, quasi dort wo die Wasserfontänen herausspritzt. Die Fahrt dorthin ist schon eine kleine Herausforderung, denn wir sind mit einem Mietwagen unterwegs und bei dem hier herrschenden Linksverkehr muss man sich dementsprechend erstmal wieder an ein paar Besonderheiten gewöhnen – im Auto und auf der Straße. So ein zweispuriger Kreisverkehr wird dabei ganz schnell zu einer durchaus kniffligen Aufgabe, denn dummerweise erwische ich immer wieder den Scheibenwischer, anstelle des Blinkers, weshalb wir leider manchmal eine Extrarunde drehen müssen, bis ich es endlich schaffe sauber die Ausfahrt zu erwischen. Martin, der das Kartenlesen übernommen hat, quittiert meine leichte Unbeholfenheit immer wieder mit einem herzlichen Lachen von der Seite.
Das Cobalt Coast Dive Resort strahlt uns in einem freundlichen Blau entgegen, als wir auf knirschendem Kies unseren quirligen Mietwagen abstellen. Vom Eingang aus kann man direkt durch den Empfangsbereich hindurch aufs Meer blicken, was bei mir ein leichtes Kribbeln verursacht. Tauchen! Endlich mal wieder… Das Wasser ist ganz nah.
Das Einchecken verläuft unkompliziert direkt an der Bar und es ist gerade eine größere Tauchergruppe dabei sich zu verabschieden. Der Abschied fällt schwer, das merkt man. Kein Wunder, das Cobalt Coast Dive Resort ist der Inbegriff eines Tauchresorts. Klein, aber nicht zu klein. Gemütlich. Atmosphärisch. Das offene Outdoor-Restaurant und die angrenzende Bar sind zentral der Treffpunkt der Anlage. Hier kann man nach dem Tauchen ganz bestimmt wunderbar zusammensitzen, quatschen und entspannt essen. Davor ein Pool für Taucher, der die schöne Aussicht untermalt. Die Tauchbasis wurde direkt in das Hotel eingegliedert, weshalb der Übergang vom Restaurant nahezu nahtlos verläuft. Vom Shop der Tauchbasis blickt man schon aufs Meer, den Anlagesteg für die beiden Tauchboote, die große Taucherplattform und den Einstieg zum Hausriff. Hinter der Basis steht den Gästen ein großer Trockenraum zur Verfügung. Und das Schönste, jedes Zimmer ist zum Meer ausgerichtet, so dass man quasi aus jedem Fenster Meerblick hat. Großartig konzipiert.
TAUCHEN AUF GRAND CAYMAN (NORDEN)
Schnell macht sich Martin an das Zusammenschrauben seiner Unterwasser-Kamera, was ihm sehr zackig eine gewisse Prominenz und viele interessierte Zuschauer einbringt. Kein Wunder, schließlich wiegt seine Kamera so viel wie ein Kleinwagen. Auf dem Tauchboot sind wir dann zu viert, plus zwei Tauchguides, was ich extrem sympathisch finde. Die 75-Jährige Denise aus Utah (USA) ist bereits das vierte Mal im Cobalt Coast Dive Resort und schwärmt uns direkt in der typisch amerikanischen Art von dem Tauchen in dieser Region vor. Das Briefing ist bestens, es gibt eine aussagekräftige Tauchplatzkarte und ausführliche Informationen. Jeder weiß was uns erwartet, was ich persönlich klasse finde, denn Martin hatte mich schon vorgewarnt, dass er hier und da eventuell leicht anarchisch taucht. Sprich, ein gutes Motiv ist ein gutes Motiv. Und ich wäre in dem Fall dann das Bindeglied zur Tauchgruppe, damit er dieses gute Motiv perfekt in Szene setzen kann.
Beim Abtauchen wird die Riffkante schnell deutlich. Auf der einen Seite ein reich bewachsenes Riff mit sehr viel Leben, auf der anderen Seite ein steiler Drop-Off. Weltklasse. Wir erforschen die ersten Durchbrüche und Höhlen als wir auf mehrere Lobster und Krabben stoßen. Karibik pur. Mehrere Makrelen-Schwärme blinken im tiefen Blau. Plötzlich Bewegung im Riff – eine freischwimmende Muräne. Und was für ein Brummer. Sie macht aber keine Anstalten sich zu verkriechen, sondern patrouilliert in langen Bahnen am Riff entlang. Martins freudige Aufregung spiegelt sich in vielen Kamera-Blitzen wider. Auch nach mehreren Minuten wird die Muräne nicht müde, sondern durchpflügt weiter die Korallenlandschaft. Mit Martin im Schlepptau. Er lässt nicht locker, solch ein Motiv lässt man nicht einfach ziehen. Eine große Schildkröte wetteifert währenddessen um Aufmerksamkeit, die sie voller Empathie sofort von mir bekommt. Ganz zahm flattert sie vor sich hin. Von Hektik keine Spur. Martin bleibt unbeirrt bei „seiner Muräne“. Schon lustig, er hat schon jede Form von Großfisch gesehen, mehrmals, und trotzdem löst eine freischwimmende Muräne solch eine Euphorie aus. Das entgeht natürlich auch unserer Schildkröte nicht, die sich leicht eifersüchtig zeigt und in dem Moment als Martin sich ihr widmen möchte, kehrt macht und im Blau verschwindet. Aber es sollte nicht die einzige Schildkröte bleiben, bei weitem nicht…
SUNDOWNER
Nachmittags, nach zwei weiteren erfolgreichen Tauchgängen, verschlägt es Martin und mich in eine karibische Sunset-Bar, direkt ums Eck. Das Macabuca ist nicht nur ein toller Treffpunkt, um sich den Sonnenuntergang anzusehen, es ist ebenso ein angeblich sehr guter Tauchplatz. Natürlich wird Martin sofort hellhörig, schnappt sich seine Kamera und schnorchelt davon. Währenddessen genehmige ich mir einen bunten Cocktail mit Schirmchen, bewundere das Meer und genieße den absolut perfekten Moment. Als ich ein kleiner Junge war, saß ich im Sommer 1986 im Kino und habe mir den Film Momo angesehen. Es geht um das Thema Zeit und wie wir sie nutzen (sollten). Der Autor des Buches Momo, Michael Ende, hat mal gesagt „Alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist verlorene Zeit“. Und dieser Moment, in der Karibik, die Musik im Hintergrund, der sich ankündigende Sonnenuntergang im Vordergrund, das warme Licht, die salzige Sommerluft, lauter fröhliche Menschen – ich wusste genau, dass man Zeit nicht mehr mit dem Herzen fühlen kann, als ich es in dieser Situation getan habe. Schöner geht es nicht. Als Martin wenig später zurückkommt, glänzen seine Augen und er präsentiert mir direkt stolz seine Ergebnisse. Fantastisch. Wir bestellen uns zur Feier des Tages Coconut Shrimps und ein paar weitere Leckereien. Fertig ist der „So kann man einen perfekten Tag verbringen“-Cocktail…
USS KITTIWAKE
Am nächsten Tag geht es für uns zu einem DER besten Tauchplätze der Cayman Islands. Dem Wrack der USS Kittiwake. Es befindet sich nicht weit entfernt vom Seven-Mile-Beach und das Wasser ist so klar, dass man die Umrisse schon problemlos vom Boot aus erkennen kann. Generell ist das Wasser eine Frechheit. Das Blau ist so blau, dass man meinen möchte, jemand vom Tourist Board hätte Farbe ins Wasser gekippt, damit alles für uns nochmal ein bisschen schöner ist. Wir sind allein an der Boje, was sicherlich ein Glücksfall ist, und so kommt es, dass Martin nach dem Briefing schneller im Wasser ist, als man Rhabarberkuchen sagen kann. Und als ich mich dem Wrack nähere, weiß ich auch wieso. Die USS Kittiwake steht fast ideal senkrecht auf dem Sandboden, was bei der guten Sicht, dem weißen Strand und dem blauen Wasser ein kitschig perfektes Fotomotiv ist. Es wirkt nahezu gefotoshopped. Hastig winkt mich Martin zu sich, damit ich mich neben dem Wrack platzieren und so die Größenverhältnisse demonstrieren kann. Das knapp 80 Meter lange Wrack ist sowohl von innen als auch von außen absolut spektakulär. Und so bietet es sich an, dass man zuerst durch das Wrack hindurch und zurück am Wrack entlang taucht. Gebrieft, getan. Die Innenräume sind groß und weit, gut und bequem zu betauchen. Einzig im Wrack drinnen, merkt man die Schräge doch ein wenig mehr, als man meinen möchte. Aber die Räume, die Ausstattungen, die Maschinen, alles ist so gut zu erkennen, dass das Blitzen im Nachbarraum von Martins Kamera gar nicht mehr aufhört. Von außen sind die Aufbauten der reine Spaß plus jede Menge Fisch patrouilliert rund um das Heck herum. So macht Wracktauchen wirklich Spaß!
COMPASS POINT DIVE RESORT
Nach einigen Tagen im Westen der Insel, inklusive mehrerer fabelhafter Besuche am Seven-Mile-Beach, sowie in George Town, führt uns unsere Reise in den Osten von Grand Cayman. Beziehungsweise ich manövriere unseren Mietwagen irgendwie gen Compass Point Dive Resort. Um es präzise auszudrücken. Ich werde zwar sicherer und empfinde mehr und mehr Spaß am Auto fahren auf der falschen Seite, aber im Zentrum von George Town, gibt es mehrere Knotenpunkte, an denen es chaotischer zugeht, als am Kreisverkehr rund um den Arc de Triumph in Paris. Trotzdem, anscheinend unterhalte ich Martin jedes Mal aufs Neue, denn er wippt viel mit dem Kopf, hat das Fenster offen, stellt Radio Cayman ein und lässt die karibische Luft per Fahrtwind den Rest erledigen. „Our nation. Our station. Our Island. Our Rhythm.“ Das ist der Slogan des Senders. Volltreffer würde ich sagen, das passt auf jeden Fall.
Das Compass Point Dive Resort hatte ich anscheinend damals bei meiner ersten Reise 2005 bereits besucht, wie mir die Managerin bei der Begrüßung direkt stolz berichtet. Und tatsächlich, als wir Richtung Tauchbasis schlendern, erkenne ich das Hotel schnell wieder. Viele Taucher wuseln durch das Zentrum der Anlage, denn die Tauchausfahrten stehen an. Und bei einer davon sind wir mit dabei! Das großzügige Pier führt uns zu der beachtlichen Tauchbootflotte. Insgesamt gibt es fünf verschiedene Tauchboote, jeweils für unterschiedliche Bedürfnisse. Sie sind top ausgestattet, komfortabel und gut konzipiert. Trotz der vielen Taucher wirken die Abläufe koordiniert und strukturiert, weshalb sich keiner groß im Weg steht und wir so auch schnell unser Boot und unsere Flaschen finden. Bei all dem Hin und Her achtet Martin auf seine Kamera wie Philippinos auf ihre Hähne. Er hütet sie mit der maximalen Aufmerksamkeit, inklusive herzlicher Pflege. Jedes Mal, wenn er anfängt alles zusammenzuschrauben, wird er vom Rest der Gruppe bewundernd beobachtet. Zu Recht!
TAUCHEN AUF GRAND CAYMAN (SÜDOSTEN)
Der Inhalt des Briefings ist für mich dann leicht überraschend, denn auf dem Plan stehen… Haie! Nicht ganz typisch für die Karibik, aber laut unserem schottischen Tauchguide Jim quasi garantiert. Anscheinend steht die Strömung an der Südostkante von Grand Cayman so gut, dass dort immer wieder karibische Riffhaie auftauchen und teilweise sogar standorttreu bleiben. Soll uns nur recht sein! Vor allem freue ich mich für Martin, denn ich weiß genau, dass er sein nächstes Motiv bereits gedanklich im Visier hat.
Nach wenigen Minuten unter Wasser wird schnell klar, dass die Riffbeschaffenheit hier im Osten von Grand Cayman sich deutlich vom Rest der Insel unterscheidet. Keine Steilabfälle wie im Norden, dafür aber Canyons so groß und lang, wie ich es noch nie gesehen haben. Tiefe Furchen. Wie Lachfalten im Riff. Unglaublich. Aus taktischen Gründen platziere ich mich dieses Mal von Beginn an in der Nähe des Tauchguides, denn mein Gefühl sagt mir, dass er „seine Haie“ am besten kennt. Angefüttert wird hier übrigens nicht! Und tatsächlich, es dauert nicht lang und zwei Haie nähern sich uns von vorne. Bullig. Souverän. Direkt. Und bestimmt. Diese Brocken wissen ganz genau, was sie wollen. Nämlich kurz vorbeischauen und dann wieder abhauen. Die Begegnung war kurz, aber knackig. Ich schaue mich um und deute Martins Handbewegung positiv, nämlich dass er einen guten Moment mit den beiden Hauptdarstellern hatte. Wunderbar.
Natürlich hoffen wir den ganzen weiteren Tauchgang auf eine weitere Hai-Begegnung, aber das Glück hat uns verlassen. Egal, das Riff bietet mehr als genügend andere Schauplätze. Nachdem wir die Hälfte des Unterwasser-Grand Canyon ehrfürchtig begutachtet haben, gibt uns Jim ein Zeichen und wir dürfen den Rest der Zeit nach eigenem Ermessen verbringen. Was Martin sehr gelegen kommt, denn er hat einen gewaltigen Block voller Elchkorallen entdeckt, den er offensichtlich möglichst ideal auf seine Speicherkarte brennen möchte. Verständlicherweise. Er nutzt jeden Winkel. Jede Perspektive. Diese Formation sieht aber auch fantastisch aus, weshalb ich mich gerne gedulde und seinen Eifer bestaune.
Zurück in der Anlage, verschlägt es uns relativ schnell ins Restaurant des Compass Point Dive Resort, denn das frühe Aufstehen und die beiden Tauchgänge haben ihre Spuren hinterlassen. Das Eagle Ray’s befindet sich direkt über der Tauchbasis, was insofern eine prima Idee ist, weil man so einen Erste-Klasse-Blick aufs Meer genießen kann. Es handelt sich um ein echtes Taucherrestaurant: solide Küche, entspannte Atmosphäre und viele begeisterte Erzählungen. Nach einem zielsicheren Blick in die Speisekarte, entscheide ich mich für Fish & Chips – für mich ein Klassiker auf Tauchreisen. Immer wieder gut.
Das Compass Point Dive Resort ist ein pures Taucherresort. Hier wohnen ausschließlich Taucher und im Hotel selbst ist auch alles auf das Tauchen ausgerichtet. Entsprechend ist die Tauchbasis das Herz und der Mittelpunkt der Anlage. Die verschiedenen Wohngebäude gruppieren sich um den Tauchshop herum, teilweise mit Meerblick, teilweise mit Blick auf die Straße. Die Zimmer sind keine gewöhnlichen Hotelzimmer, sondern ansprechende Appartements mit floralen Mustern, voll ausgestatteten Küchen und jeder Menge Platz. Genau das richtige für Taucher. Ich bin mir sicher, hier wurden Kundenfeedbackbögen studiert, ausgewertet und anschließend nach und nach Verbesserungen vorgenommen. Es fehlt an nichts und viele Kleinigkeiten wirken komplett durchdacht.
Wenn man das Compass Point Dive Resort bucht, ist zum Beispiel auch immer gleich ein Mietwagen zu einem sehr fairen Preis (ich habe es nachgerechnet) im Paket mit inbegriffen. Was komplett Sinn macht. Nur so kann man Grand Cayman perfekt genießen, erkunden und erleben kann. Denn schon alleine im Osten von Grand Cayman befinden sich ein paar der schönsten Spots der Insel… Dazu aber später mehr!
LITTLE CAYMAN
An dieser Stelle unserer Reise machen wir einen kleinen Schlenker und wechseln vorerst die Insel. Natürlich kommen wir später nochmal nach Grand Cayman zurück, denn es gibt noch einiges mehr zu entdecken. Dieser Wechsel liegt ausschließlich an der Verfügbarkeit der verschiedenen Hotels und wir wollten selbstverständlich keinen Top-Spot auslassen. Normalerweise würde ich bei einer Reise auf die Cayman Islands immer einen Ablauf empfehlen, bei dem man erst auf Grand Cayman bleibt, um dann den zweiten Teil auf Little Cayman zu verbringen. So kann man entspannt in der Karibik ankommen, sich eingrooven, seinen Rhythmus finden, eintauchen und dann zu einem Knaller-Spot weiterreisen. Taucherisch ist Little Cayman nämlich nochmal ein echtes Highlight on top…
Der Flug von Grand Cayman nach Little Cayman ist die pure Show. Ganz ehrlich, eigentlich ist das kein regulärer Linienflug, sondern eine eigene touristische Attraktion. Dadurch, dass es sich bei dem Flieger um einen kleinen Inselhüpfer handelt, steigt dieser auch nicht sonderlich hoch, wodurch man einen exzellenten Blick auf die gesamte Insel Grand Cayman genießen kann. In unserem Fall verlief der Hinflug leicht nördlich, während wir auf dem Rückflug die gesamte Südseite bestaunen konnten. All die vielen Strände, die vorgelagerten Riffe, die Villen… Ein unglaublicher Ausblick! Seine Kamera sollte man auf jeden Fall gut aufgeladen und immer griffbereit haben.
Auf Little Cayman ist dann alles deutlich beschaulicher und ruhiger. Die Start- und Landebahn ist zum Beispiel eine normale Straße, die jeweils nur für die Landungen und Abflüge kurzzeitig gesperrt wird. Was kaum auffällt, denn viel Verkehr gibt es hier nicht. Drumherum nur Wiese. Das Terminal, sofern man das so nennen darf, ist eine weiße Holzhütte und die Computer dort wirken so modern wie ein Faxgerät. Vermutlich stehen sogar noch irgendwelche von den Dingern hinter dem Schalter. Aber das macht es umso charmanter. Auf Little Cayman kann man sehr schnell wunderbar ein paar Gänge zurückschalten und den Faktor Zeit hinter sich lassen.
Martin und ich haben auch hier einen Mietwagen gebucht und das Inselfeeling ist dort bereits bei der Annahme spürbar. Keine Formalitäten, kein großer Papierkram, ich bekomme nur den Schlüssel in die Hand gedrückt. „Der Graue da hinten ist eurer“. Passt. Wunderbar.
LITTLE CAYMAN BEACH RESORT
Auch in diesem Hotel war ich 2005 bereits und es war einer der Gründe, warum ich unbedingt nochmal auf die Cayman Islands wollte. Zum einen war das Tauchen blanke Spitzenklasse. Ohne Wenn und Aber. Die Tauchboote waren extrem komfortabel und das Briefing hat für mich damals Maßstäbe gesetzt. Was mir vor allem aber vom Tauchen in Erinnerung geblieben ist, war das überragende Austauchen, was mit das Beste am ganzen Tauchgang war. Zum anderen war das Hotel für mich der Inbegriff eines karibischen Tauchresorts. Leider hat der Regen damals die bezaubernde Anlage nicht gerade glänzen lassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Mal ist aber alles anders!
Blauer Himmel, lila Pflanzen, rosa Hotel – eine bunte Mischung. Herrlich karibisch. Im Little Cayman Beach Resort kann man sich nur wohlfühlen, es ist in meinen Augen unmöglich diese Anlage anders zu empfinden. Die Farben, der traumhaft angelegte und bewachsene Garten, sowie der zentrale Pool und der weiße Sand dahinter… Schöner geht es nicht. Das Einzige, was mich stört ist der Name des Hotels, denn ja, es gibt einen Strand, aber faktisch kommt niemand wegen des Strandes hierher, sondern alle Gäste sind hier zum Tauchen! Und was gehört zu jedem stilvollen Tauchresort zwingend dazu? Eine vernünftige Bar, richtig! Und diese Bar ist ein Kunstwerk. Buchstäblich. Die ganze Decke ist verkleidet mit bunt bemalten Brettern, quasi so etwas wie die Visitenkarten von ehemaligen Gästen, was einfach nur fabelhaft aussieht. Dazu gibt es leckere Cocktails, kleinere Snacks für den Hunger zwischendurch und viele strahlende Gesichter. Die Tauchcrew steht auch an der Bar und quatscht mit den Gästen. Hier fällt das emotionale Ankommen sehr sehr leicht.
TAUCHEN AUF LITTLE CAYMAN
Am nächsten Morgen geht es früh los, denn wir wollen auf die andere Seite der Insel zu einem DER Tauchplätze. Nicht nur von Little Cayman, sondern von den gesamten Cayman Islands. Genauer gesagt, handelt es sich um eine Tauchplatzregion und nicht nur um einen einzelnen Platz, denn das Riff ist so lang, dass dort mehrere Tauchplätze mit Bojen markiert wurden. Der Bloody Bay Marine Park.
Das Morgenlicht in der Karibik ist für mich – trotz der frühen Stunde – immer wieder ein Genuss. Rise and Shine heißt es ja so gerne, was frei übersetzt so viel wie „Stehe auf und strahle“ bedeutet. Ja, das tue ich. Und ich liebe es.
Das Frühstück ist klasse. Es gibt allerlei verschiedene Essensstationen plus Live-Cooking für die Eierspeisen und mehr. Einzig das Flair im Restaurant überzeugt mich nicht vollends, auch wenn es recht neu eingerichtet ist, aber irgendwie fehlt mir das gewisse Etwas. Es wirkt etwas „kalt“. Allerdings höre ich während unseres Aufenthalts, dass eine Versetzung näher ans Wasser geplant ist. Eine prima Idee.
Auf dem Weg zur Tauchbasis kreuzen zwei Iguanas unseren Weg. Anscheinend sind sie so etwas wie die Maskottchen der Anlage und fläzen sich an den verschiedensten Stellen in die Sonne. Zudem sind sie beliebte Fotomotive, so auch für mich…
Die Sonne ist noch am Aufsteigen, als unser Tauchboot die ersten Wellen schlägt. Die Luft ist warm. Der Horizont bietet eine wilde Farbpalette. Jedes Mal in genau dieser Situation genieße ich die Atmosphäre vor dem ersten Tauchgang. Irgendwie haben diese Minuten zwischen Abfahrt vom Tauchpier bis zur Ankunft am Tauchplatz etwas Magisches – zu mindestens für mich. Der eine schraubt an seiner Tauchflasche herum, der andere an seiner Kamera. Sarah, die rüstige Leiterin einer Tauchgruppe aus Arkansas (das Einzige, was ich mit Arkansas verbinde, ist Bill Clinton und sie hat ihn tatsächlich mal getroffen!), seift ihre Tauchmaske ein. Ein Pärchen checkt die Tauchcomputer. Ich sitze vorne am Bug und schaue aufs Meer. Die Zeit muss mit dem Herzen wahrgenommen werden. Da ich ohne Anzug, sondern nur mit einem Lycra tauche und nicht den „Wetsuite-Dance“ vollziehen muss, habe ich sogar immer ein bisschen mehr Zeit. Und die nutze ich.
Als das Boot langsamer wird und wir den Tauchplatz erreichen, habe ich wieder einmal dieses Kribbeln im Bauch. Echte Vorfreude. Das Tauchen im Bloody Bay Marine Park ist simpel. Die Sicht ist lächerlich gut, Strömung gibt es nicht und das Tauchprofil besagt mit einem 1/3 der Luft runter und an der Wand entlang, mit einem 1/3 zurücktauchen und mit dem letzten 1/3 Austauchen. Wie gesagt, auf den letzten Abschnitt freue ich am meisten. Die Sonne scheint, das Meer glitzert – besser geht es nicht.
Wir tauchen ab und ich weiß sofort, warum ich hier gerne wieder tauchen wollte. Fischschwärme. Überall. Jeder Riffblock ist voll davon. Die artenreiche Korallenlandschaft wird perfekt von den Sonnenstrahlen ausgeleuchtet. Noch bevor wir an die Kante kommen, bin ich schon begeistert. Alles ist so üppig, dass sich Martin vor Motiven nicht retten kann. Auf dem Grund liegende Stachelrochen schütteln sich den Sand vom Rücken. Einmal sind es gleich drei nebeneinander. Als sie davonziehen „surft“ ein kleiner Fisch auf einem der Rochen. Ein Ammenhai schlängelt sich durch das Riff. Doktorfische knuspern am Riff. Ein Adlerrochen schwebt über dem Boden. Nassau Grouper kuscheln sich an Fächerkorallen. Nach den ersten zwei Dritteln des Tauchgangs signalisiert unser Tauchguide, dass wir wieder zurück am Boot sind, er auftauchen wird und wir den Tauchgang nach unserem Geschmack beenden können. Das besagte Austauchen. Was bedeutet, wir genießen diesen unglaublichen Tauchplatz in vollen Zügen. Tauchen auf den Cayman Islands – genauso habe ich es mir immer vorgestellt. Auch wenn Gene Hackmann in „Die Firma“ an einem anderen Tauchplatz auf Grand Cayman unterwegs war. Martin ist in völliger Ekstase und in seinem eigenen Tunnel. Was ein Tauchertraum.
Wieder an Bord sind wir alle happy. Unsere amerikanischen Mittaucher geizen nicht mit dem Adjektiv „amazing“ (zu Deutsch umwerfend) und sie meinen es so! Die ganze Gruppe ist begeistert! Uns inklusive.
Nachmittags dann, beim Briefing zum dritten Tauchgang auf der Südseite von Little Cayman, wird wie immer erklärt, was wir alles sehen könnten bzw. erwarten dürfen. Unter anderem Adlerrochen, Riffhaie und Ammenhaie… Die Tauchguides haben sich einen besonders schönen Tauchplatz ausgesucht, sicherlich auch um Martin zu beeindrucken.
Unter Wasser passiert dann aber etwas Außergewöhnliches, denn Martin jagt nicht der Chance hinterher Adlerrochen und das ganze größere Zeug zu sehen, sondern er bleibt lieber bei dem voll intakten und blühend gesunden Korallenriff. Voll mit prallen Leben.
Als ich ihn danach frage, wieso er nicht zu dem angekündigten Canyon wollte, bei dem man eben die Chance auf die vermeintlich spannenderen Motive gehabt hätte, antwortet er völlig klar: „Weil ich hier bei diesem Riff die perfekte karibische Unterwasserwelt abbilden kann. Alles was ich will, ist hier. Ich brauche keine großen Sachen, dieses wunderschöne Riffleben ist absolut perfekt“.
Ich finde das bemerkenswert. In einer Zeit, in der man immer bessere, nähere, spektakulärere Begegnungen und Aufnahmen braucht, ist das eine sehr sympathische Aussage. Für Martin war das Riff vor Little Cayman das schönste in der Karibik. Was man hier alles sehen und fotografieren kann, ist schlichtweg Weltklasse.
RÜCKREISE NACH GRAND CAYMAN
Nach einer wunderbaren Zeit auf Little Cayman und vielen Tauchgängen voller Freude, zuckeln Martin und ich über die Insel, um zurück zum Flughafen zu fahren. Überall hecheln Iguanas über die Straße, weshalb sogar an jeder Ecke Warnschilder stehen. Ich mag die kleinen Echsen, irgendwie sind sie ein lustiger Teil der Caymans. Ein Bauer hat den Rasen am Straßenrand gemäht und es riecht nach karibischem Sommer.
Wieder zurück am Flughafen, erlebe ich die entspannteste Mietwagen-Abgabe aller Zeiten. In dem Mietwagen-“Büro“, welches gleichzeitig auch ein kleiner Tourenanbieter ist, ist der Schreibtisch verwaist. Dafür sitzt ein stämmiger Kerl des Tourenanbieters an seinem benachbarten Platz und bittet uns kurz um Geduld. Er wackelt aus der Tür und ruft nach seinen Mietwagen-Kollegen, der gerade dabei ist, sich ein Sandwich vom Nachbarlokal „Hungry Iguana“ (super Name by the way) abzuholen. Als ich ihm mitteile, dass ich mein Auto gerne abgeben möchte, fragt er, welches Auto denn meines ist. Bevor ich zur Antwort ansetzen kann, hustet er: „Ach egal, stells einfach ab und lass den Schlüssel stecken“… Kann man so machen. Ich mag das.
STINGRAY CITY
Zurück auf Grand Cayman beziehen wir wieder unsere Zimmer im Cobalt Coast Dive Resort, was so ein bisschen unser „zu Hause“ geworden ist, ganz einfach, weil wir dort die meiste Zeit dieser Reise verbracht haben. Eine neue Tauchgruppe ist angereist und wird gerade hinsichtlich dem Tauchablauf gebrieft. Wir stehen am Rand der Terrasse und ruhen ein wenig in dem Moment beim Blick auf das Meer. Dabei höre ich doch tatsächlich das Rascheln des Tauch-Shakers von Denise aus Utah, die gerade ihren Tauchgang am Hausriff beendet. Immer schön vertraute Gesichter zu sehen. Abends gibt es einen lustigen Quizabend auf der Terrasse des Resorts, organisiert vom Verlobten der Rezeptionistin, was ein großer Spaß für alle Gäste ist. Meine mir zugeloste Gruppe landet bedauerlicherweise nur im Mittelfeld.
Der nächste Tag hält dafür allerdings eines DER Highlights der Cayman Islands für uns bereit. Etwas, was ich bei meinem ersten Besuch aus mir unerfindlichen Gründen nicht gesehen habe. Etwas wofür die Cayman Islands berühmt sind. Der sagenumwobene Schnorchelspot Stingray City! Wieder so ein Ding, das sicherlich sehr touristisch ist, aber die überragenden Bilder, die ich von dort kenne, sprechen wiederum eine andere Sprache. Wir werden es uns selbst ansehen und uns anschließend unser eigenes Urteil bilden.
Wieder heißt es sehr früh aufstehen, was auf den Cayman Islands ein leckeres Frühstück in George Town bedeutet. Nirgends sonst bekommt man so früh schon etwas zu essen. Da um die Zeit noch nicht so viel los ist, fühle ich mich noch sicherer mit dem Linksverkehr auf der Straße. Ich fühle mich zudem lässiger. Ich schließe also mein Iphone ans Auto an und stelle im Genre Reggae auf Shuffle. Ich kann es förmlich spüren, wie jeder Local mit den Augen rollt, nach dem Motto, wieder so ein Touri der einen auf Islander macht. Dabei vermeide ich schon die Klassiker, sondern setze auf meine vermeintlichen Insiderhits. Hilft nichts. Ich werde schnell enttarnt.
Treffpunkt für unsere Tour ist die Marina von George Town. Dort liegt bereits ein riesiger Katamaran abfahrbereit, gut gefüllt mit erwartungsfreudigen Ausflüglern. Stingray City liegt auf unserer Pottwal-Karte zwischen dem Kopf und der Schwanzflosse, weshalb wir eine ca. 60-minütige Segelfahrt vor uns haben. Ich bin ausgesprochen gespannt und beobachte das Publikum. Viele Familien. Wobei die Teenager maximal gelangweilt wirken, schließlich hat ihr Handy hier keinen Empfang. So müssen sie wohl oder über aufs Meer schauen. Blöd gelaufen.
Zum Spot selbst, wie der Name schon sagt, sieht man bei Stingray City Stachelrochen. Nicht einen, nicht zwei, auch nicht drei, sondern vielleicht fünfzig! Das ist schon eine Ansage. Natürlich habe ich im Laufe der Zeit auf den Caymans schon viele Taucher und Urlauber zu Stingray City befragt und die Meinung ist relativ klar: es ist ein besonderes Highlight. ABER, ja, es sind viele Leute dort.
Dazu muss man wissen, das Stingray City nicht aus einem kommerziellen Hintergrund entstanden ist. Gar nicht. Bereits seit circa über 40 Jahren gibt es diesen Platz! Damals gab es noch kein Get-your-Guide, geschweige denn Instagram-Hotspots. Ich hatte vorher erwähnt, dass es im Osten von Grand Cayman viele tolle Locations gibt und einer davon ist Rum Point. Dabei handelt es sich um einen typisch karibischen Strand mit Beachbars, Holzbuden, Palmen – ein super Ort um es sich gemütlich zu machen. Vor 40 Jahren gab es diesen Spot allerdings noch nicht in der heutigen Form, aber obwohl das der nächstgelegene Festlandpunkt zum heutigen Stingray City ist, wollten die Fischer dort eben NICHT ihre gefangenen Fische zerlegen, weil es am Ufer zu viele Mücken gab. Aus diesem Grund blieben sie auf ihren Booten, nahmen die Fische dort aus und warfen die Abfälle ins Meer. Nun muss man wissen, dass es sich bei Stingray City um eine riesige Sandbank handelt mit einer durchschnittlichen Tiefe von vielleicht ca. 1,50 Metern. Ein idealer Ort für Rochen. Andere „Jäger“ kommen nicht oder nur selten auf diese Sandbank (vor allem weil sie so groß ist). So entwickelte sich quasi eine exklusive Stachelrochen-Fressstelle. Geboren war Stingray City. Natürlich ist irgendwann irgendwer auf die Idee gekommen Touristen diesen einzigartigen Fleck zu präsentieren… Und da sind wir nun.
Als wir unser Tempo drosseln, ist schon klar, wo Stingray City ist. Ein anderes kleines Boot ist uns bereits zuvorgekommen und eine Handvoll Schnorchler steht im Wasser. Schnell kann ich auch unglaublich riesigen Scheiben im Wasser erkennen. Die Rochen sind wirklich gigantisch! Das sind überwiegend 1,5 Meter Durchmesser und mehr. Von oben sieht das Spektakel extrem wild aus, weil sich die vielen grauen Kreise natürlich übereinander schieben oder manchmal liegen bleiben, wodurch eine Art Knäuel entsteht. Teilweise schlagen sie auch Haken oder blitzen aus der Menge heraus. Martin und ich gleiten schnell ins Wasser und platzieren uns etwas außerhalb der Gruppe, quasi an den Rand des Hauptspots. In der Mitte ist definitiv zu viel los. Die Rochen sind übrigens alles andere als scheu, eher das genaue Gegenteil, sie flattern immer wieder in Richtung Zentrum und rumpeln teilweise sogar in die vielen Beine der Schnorchler. Wir legen uns ruhig ins Wasser mit Blickrichtung weg vom Trubel. Und wir müssen nur kurz warten. Immer wieder rauschen Gruppen von gewaltigen Stachelrochen an uns vorbei, mustern uns und segeln weiter. Natürlich erhoffen sie sich Futter, auch wenn hier offiziell nicht angefüttert wird. Tatsächlich habe ich auch niemanden füttern gesehen, aber ich vermute mal, dass das durchaus vorkommt. Ich liebe ja Rochen und kann mich niemals satt sehen an ihren Bewegungen. Vor diesem Hintergrund, also dem weißen Sandboden und dem klaren blauen Wasser, sieht alles nochmal einen Tick eleganter aus als in einer Riffumgebung. Für mich sind sie ja mit die schönsten Tiere überhaupt und ich bin tatsächlich extrem happy in aller Ruhe „mit ihnen schnorcheln zu können“. Immer mit Abstand und immer mit Respekt. Martin macht dankenswerterweise ein paar großartige Bilder von mir, über die ich mich ewig freuen werde. Auch er ist sehr zufrieden, denn er konnte in der Tat ein paar phänomenale Aufnahmen machen.
Alles in allem muss man sagen, dass dieser Ausflug selbstverständlich absolut beeindruckend ist, was die Begegnung mit den Stachelrochen angeht. Aber wie das Ganze aufgezogen wird, ist schon grenzwertig. Auf unserem Schiff war immerhin ein Biologe mit dabei, der auf der Hinfahrt auch ein informatives Briefing gibt, insofern kann man durchaus sagen, dass hier nicht blind gearbeitet wird. Die Rochen sind ja auch im offenen Meer, sprich sie könnten jederzeit abhauen, wenn es ihnen zu viel wird. Tatsächlich kommen sie aber immer wieder und ziehen ihre Kreise durch die Schnorchler hindurch. Ich sehe es klar zwiegespalten, auch wenn ich das Erlebnis mit Martin so ganz am Rand, abseits der Gruppe, schon sehr aufregend fand. Über solche Touren kann man schon lange und immer wieder trefflich streiten und ich verstehe beide Seiten. Definitiv.
Die Rückfahrt wird dann zu einem kleinen Event, denn auf dem Katamaran werden Drinks gemixt, Musik wird aufgelegt und sogar die Teenies scheinen schließlich doch Gefallen an diesem Setting gefunden zu haben. Das ist die Karibik (für mich). Dieser Slogan kam auf der Reise immer wieder vor. Ein kleiner Insider zwischen Martin und mir…
FAZIT
Nach ein paar weiteren Tagen voller Eindrücke, Beachbars, Sonnenuntergängen, Restaurants mit einem teilweise unfassbar schönen Setting und Live-Musik geht auch diese beeindruckende Reise zu Ende. Ich bin extrem froh, dass ich ein zweites Mal die Chance bekommen habe, die Cayman Islands zu besuchen, denn ich hätte ansonsten immer ein extrem verfälschtes Bild von dieser Inselgruppe im Kopf gehabt. Tatsächlich haben die Caymans dieses Mal sogar mein Herz erreicht, weil ich einfach sagen muss, dass die Mischung aus über und unter Wasser hier grandios ist. Plus die karibische Wohlfühlatmosphäre. Ja, Grand Cayman ist touristisch und rund um George Town und den Seven Mile Beach durchaus etwas voller, aber das stört gar nicht. Wenn man einige der Restaurants im Zentrum nimmt, wie zum Beispiel das „Peppers“ (prima Tipp by the way), dann mussten wir sogar zehn Minuten auf unseren Tisch warten, aber auch das war ein kleines Event. Ein offenes Restaurant, die Live-Musik war bereits zu hören, die Stimmung war gut und wir haben uns extrem lustig mit zwei Australiern unterhalten. Das Essen war dann sensationell lecker und der Abend ein maximaler Spaß. Oder eben mein Lieblingsspot das Macabuca. Klar, waren wir „nicht alleine“, aber die Atmosphäre war einmalig. Insgesamt war ich dort am Ende viermal und habe jeden Augenblick genossen. Egal wo man hinfährt oder einkehrt, das Caribbean Feeling ist immer dort. Sicherlich nicht im ursprünglichen, sondern vielleicht eher im modernen Sinne.
Um die Caymans richtig zu erleben, und damit meine ich vor allem Grand Cayman, würde ich immer einen Mietwagen empfehlen, weil die Flexibilität ein großer Trumpf ist. Auf Little Cayman ist dies dagegen kein Muss.
Ein kleiner Haken ist sicherlich, dass eine Reise auf die Caymans nicht ganz günstig ist. Ich habe unten mal ein paar Preisbeispiele angegeben, damit sich jeder ein Bild davon machen kann und eine grobe Vorstellung von solch einem Paket erhält. Aber der Gegenwert stimmt. Man bekommt auch etwas für sein Geld. Das muss man ganz klar sagen. Die touristische Infrastruktur ist ideal, ohne aufdringlich zu sein. Die Tauchbasen, die Tauchboote, die Hotels – alles ist top, extrem gepflegt, seriös und schlichtweg gut organisiert. Man kann sensationell gut essen, oft sogar für normale Preise. Und man hat eben unendliche Möglichkeiten. Das Angebot der Cayman Islands ist nahezu unschlagbar.
Und jetzt zum wichtigsten Punkt: Das Tauchen war überwältigend. Wie fast überall in der Karibik sind die Riffe hier die Stars und eben nicht die großen Fische. ABER, wenn man alles zusammennimmt, haben wir sogar davon reichlich gesehen. Riffhaie, Ammenhaie, Adlerrochen und eben jede Menge Stachelrochen. Trotzdem: Die gesunden, vor Leben strotzenden Riffe waren für mich besonders beeindruckend. Sowohl auf Grand Cayman, aber vor allem auf Little Cayman. Klar, wir hatten Glück mit dem Wetter, aber dieses Lichtspiel bei den flacheren Plätzen (zum Beispiel beim Austauchen) mit den Farben und Fischschwärmen hat mich besonders fasziniert. Martin hing teilweise 15 Minuten an einem Riffblock fest, um das dortige Leben aus jeder Perspektive abzulichten und dabei war der benachbarte Riffblock mindestens genauso schön. Hier kann man sich auch ohne Strömung treiben lassen und genießen. Abschalten und passieren lassen. Alles ist easy, relaxed und ohne großen Aufwand. Das sind ja durchaus auch ein paar gute Argumente. Unterm Strich sind die Cayman Islands für mich ganz sicher in den Top 5 der Karibik. Tendenziell sogar in den Top 3, je nachdem wie man seine Präferenzen setzt. Aber wenn man mal den Querschnitt für zwei volle Wochen nimmt, die Faktoren Abwechslung, Vielfalt und Komfort mit einbezieht, dann kann man auch durchaus mal über die zwei Top-Plätze diskutieren. So sehe ich das. Die Jardines de la Reina in Cuba waren für mich weltweit extrem stark (daher meine Nummer 1 in der Karibik), weil jeder Tauchgang absolutes Top-Niveau hatte, aber eine Tauchsafari ist immer ein wenig anders zu beurteilen. Abhängig natürlich davon, was man gerne mag. Die Cayman Islands bieten ein extrem gutes Paket und das kommt für mich bislang in der deutschen Taucherlandschaft deutlich zu kurz. Ich würde maximal gerne ein drittes Mal hierherkommen, denn dann kann ich mich wirklich auf das Erleben und Genießen konzentrieren…
PREISBEISPIELE CAYMAN ISLANDS
Flug ab Deutschland mit Delta via Atlanta (zB MUC-ATL-Grand Cayman) – auf dem Hinflug eine Zwischenübernachtung in Atlanta, auf dem Rückflug KEINE Zwischenübernachtung:
- Grand Cayman – Ocean Frontiers
7 Nächte Doppelzimmer, 12 Bootstauchgänge (6 Two-Tank-Dives), Frühstück, Mietwagen für die gesamten 7 Tage (ab / bis Flughafen)
-> ab € 2.450 pro Person plus € 480 Flugsteuern
- Grand Cayman – Cobalt Coast
7 Nächte Doppelzimmer, 12 Bootstauchgänge (6 Two-Tank-Dives), Halbpension, Transfer ab / bis Flughafen, Tauchleihcomputer
-> ab € 2.450 pro Person plus € 480 Flugsteuern (ist tatsächlich der gleiche Preis)
- Little Cayman – Little Cayman Beach Resort
7 Nächte Doppelzimmer, 12 Bootstauchgänge (6 Two-Tank-Dives), Halbpension, Transfer ab / bis Flughafen, Inlandsflug, Tauchleihcomputer
-> ab € 3.040 pro Person plus € 480 Flugsteuern
- Kombi
– Grand Cayman – Cobalt Coast
7 Nächte Doppelzimmer, 12 Bootstauchgänge (6 Two-Tank-Dives), Halbpension, Transfer ab / bis Flughafen, Tauchleihcomputer
– Little Cayman – Little Cayman Beach Resort
7 Nächte Doppelzimmer, 12 Bootstauchgänge (6 Two-Tank-Dives), Halbpension, Transfer ab / bis Flughafen, Inlandsflug, Tauchleihcomputer (ab / bis Flughafen)
-> ab € 4.790 pro Person plus € 480 Flugsteuern
Das wäre es dann auch schon wieder von mir. Ich musste die längere Pause ein wenig aufholen und habe mich dieses Mal nicht wirklich kurz gefasst. Von daher vielen Dank für Ihre Lesegeduld und Ihr Interesse!
Sollten Sie Fragen zu den beiden Inseln haben, melden Sie sich – wie immer – bitte sehr sehr sehr gerne bei mir. Ebenso natürlich wenn Sie Anregungen haben oder Kritik äußern möchten – ich freue mich über jedes Feedback…
Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Start ins Jahr 2023 und sende ganz herzliche Grüße
Ihr / Euer
Jan Thies
Geschäftsführer