Liebe Tauchfreunde,
es ist einige Zeit vergangen seit meinem letzten Reisebericht, was niemand mehr bedauert als ich selber. Denn wenn ich nichts berichte, bedeutet dies schlichtweg, dass ich nicht verreist bin. Ich möchte gar nichts ins Detail gehen, aber beispielsweise die Schweinegrippe macht unterm Strich relativ wenig Spaß.
Jetzt kann und darf ich endlich mal wieder etwas erzählen und dann ist es auch noch über Cuba – unser Spezialgebiet und gefühlt meine zweite Heimat. Diejenigen, die unseren Katalog bekommen haben, konnten vielleicht die Geschichte meiner Beziehung zu Cuba nachlesen. Wer den Katalog noch nicht bekommen hat, kann diesen gerne jederzeit kostenlos anfordern.
Dies jetzt war tatsächlich meine 20te Reise auf die größte Karibikinsel und auch dieses Mal hat mich das Land erneut überrascht.
CUBA
Es hat sich viel getan seit meiner letzten Reise vor 3 Jahren. Speziell im letzten Jahr. Die Rolling Stones waren in Cuba, Barack Obama war in Havanna, Madonna war eben erst Ende August zu Besuch und wie wir von Norbert Probst, dem Leiter unserer Gruppenreise im März diesen Jahres, erfahren haben, war sogar Sascha Hehn, der Traumschiffkapitän, dort. Irgendwie jeder wollte auf einmal nach Cuba, um noch einmal dieses einzigartige Flair zu erleben, bevor sich vermeintlich vieles bis alles ändern wird. Es ist kein Geheimnis, dass die Amerikaner an die cubanische Tür klopfen und man darf gespannt beobachten, wie lange es noch dauert bis offiziell Flugverbindungen von den USA nach Cuba in den Buchungssystemen dieser Welt auftauchen. Nach meinen Informationen kann dies sogar schon Ende diesen Jahres der Fall sein. Einige Flüge gibt es schon, allerdings sind dies Charterflüge, die die Amerikaner nur über (kurze) Umwege buchen können. Allerdings haben Amerikaner sowieso bereits über Mexiko oder Kanada die Möglichkeit Cuba anzufliegen, es gibt also quasi ein Soft-Opening, wie man so schön sagt. Überraschenderweise habe ich gar nicht so viele Amerikaner getroffen, was aber vermutlich daran liegt, dass sich der amerikanische Tourismus bisher auf Havanna, Varadero und einige Tagesausflüge von diesen beiden Orten beschränkt. Was gut ist, denn aus diesem Grund ist Cuba nach wie vor so, wie ich es kennen gelernt habe und seit vielen Jahren liebe: Ursprünglich, herzlich, offen (ich gebe zu das klingt paradox), besonders und liebenswert.
Das einzige was diese Eigenschaften ein wenig untergräbt, ist der enorme Tourismuszuwachs, den das Land seit ziemlich genau einem Jahr erfährt. Ich habe so etwas in meinen 20 Jahren Tourismus weltweit noch nirgends erlebt. Ganz kurz ein paar Informationen, um dies zu verdeutlichen. Letztes Jahr im Oktober waren ALLE Hotels in der Innenstadt von Havanna bis in den April diesen Jahres hinein ausgebucht. Das muss man sich mal überlegen. Fünf bis sechs Monate im voraus war die Stadt quasi ausgebucht! Unfassbar. Die Cubaner wurden von diesem Ansturm offensichtlich ebenso überrascht, was nachvollziehbar ist, denn alle touristischen Gesetze wurden außer Kraft gesetzt. Dies hatte zur Folge, dass viele Hotels (nicht nur in Havanna) überbucht waren und die Gäste teilweise böse Überraschungen erleben mussten. Unsere Gäste waren davon zum Glück so gut wie gar nicht betroffen, denn wir hatten intern eine einfache Regel: wenn eine Hotelbestätigung länger als zwei Tage dauert, stimmt etwas nicht. Sprich da wird versucht etwas passend zu machen, was nicht passt. Entsprechend sind wir in diesen Fällen auf die sehr charmanten Casas Particulares ausgewichen. Die Casas Particulares sind Privatunterkünfte und wirklich ein Erlebnis. Klar, die Zimmer sind sehr einfach, aber die Gastgeber bemühen sich meist in einer zauberhaften Form um die Gäste, wie ich es oben beschrieben habe: herzlich, offen und liebenswert. Wer einmal zum Abendessen von seiner „Gastgebermama“ bekocht wurde, wird sich fragen, warum die cubanische Küche einen so schlechten Ruf hat.
Dies aber nur als Einleitung zum Wandel in Cuba. Noch passiert außerhalb von Havanna relativ wenig, außer, dass die Preise angezogen haben. Allerdings merkt man, dass etwas in der Luft liegt. Das Thema USA geistert durch das Land und keiner weiß so richtig, was passieren wird. Denn, und das sollte man nicht unberücksichtigt lassen, die Cubaner sind durchaus skeptisch.
Nun aber zu meiner Reise, auf der ich die vermutlich besten Tauchgebiete Cubas besucht habe.
Geflogen bin ich mit der Condor und ich sage es wie es ist: der Flug war schlecht. Ein Sitzabstand ist quasi nicht vorhanden (ich bin allerdings auch 1,89 m groß), es gab keine Auswahl beim Essen, sprich es gab nur ein Gericht, nämlich Nudeln mit Tomatensoße, und für das Filmprogramm muss man extra bezahlen! Das habe ich überhaupt noch nie erlebt. Fairerweise muss ich sagen, es gibt einen Film gratis, was auf einem Elf-Stunden-Flug aber nur bedingt unterhaltsam ist. Ein echter Pluspunkt ist aber, dass es ab München und Frankfurt Non-Stop-Flüge gibt.
Egal, ich bin schließlich in Cuba. Endlich mal wieder. Karibikluft ist etwas kostbares und ich genieße jedes Mal den Moment, wenn ich aus der viel zu kalten Flugzeug-Luft in die warme Abendluft von Havanna eintauche. Genau in dem Moment weiß ich, dass ich großartige Wochen vor mir habe.
Eine besondere Freundin hat mir vor meiner Reise mit auf den Weg gegeben: „Cuba freut sich auf dich.“ Das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.
MARIA LA GORDA
Mein erster Stopp ist der Bestseller aus unserem kompletten Programm: Maria la Gorda. Das Taucherhotel ganz im äußersten Westen der Insel hat vier dicke Vorteile: einen wunderschönen Sandstrand, einen angenehmen Tauchablauf mit sehr kurzen Ausfahrtszeiten, wunderschöne Tauchplätze und ein extrem gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Dieses Paket macht Maria la Gorda zu einem der beliebtesten Tauchziele in der Karibik.
Mein Fahrer Raul ist sehr hilfsbereit und lacht viel. Das ist auf den ersten Blick kaum nachzuvollziehen, denn er trägt, wie alle Taxifahrer in Cuba, eine Uniform mit Krawatte. Das Thermometer zeigt selbst abends noch schweißtreibende 31 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit an und Raul strahlt dabei, als ob er Urlaub hätte. Und er redet viel. Voller Stolz. Er möchte mir von seinem Cuba erklären, allerdings läuft er da bei mir offene Türen ein. Es handelt sich nämlich auch um mein Cuba.
Die Displayanzeige im Auto ist erstaunlicherweise auf Deutsch und zeigt an: „Motorfehler – Fahrzeug instand setzen lassen.“ Raul weiß nichts davon und es stört ihn auch nicht, dass da etwas dick und fett in seiner Mittelkonsole aufblinkt. Von der alarmierenden Farbe Rot kaum zu schweigen. Willkommen in Cuba! Immerhin merkt man dem Auto sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt nichts an. Das ist das Schöne, irgendwie regelt sich in Cuba immer alles von selbst.
Die Straße nach Maria la Gorda ist komplett erneuert worden, was extrem angenehm ist, denn vor drei Jahren waren die letzten Kilometer eher ein zeitraubendes „such den schlaglochfreien Teil der Straße“-Spiel. So aber kann ich die Fahrt durch den Nationalpark und am türkisfarbenen Meer entlang genießen, ohne dass meine Wirbel sich einem unfreiwilligen Belastungstest unterziehen.
Die Hotelanlage Maria la Gorda wurde in den letzten fünf Jahren komplett umgekrempelt. Neues Rezeptionsgebäude, neues Restaurant und neue Zimmer. Leider ist die Kommunikation mit einem cubanischen Hotel etwas beschwerlicher, als mit einem eigentümergeführten Hotel auf den Philippinen, weshalb ich zwischenzeitlich kaum Bildmaterial oder Informationen erhalten habe. Entsprechend bin ich sehr gespannt. Seit meinem letzten Besuch vor Ort, waren allerdings immerhin zwei Mitarbeiter von Nautilus und zwei Journalisten vor Ort, so dass ich wenigstens ab und zu tröpfchenweise Updates erhalten habe.
In Maria la Gorda ist es wie überall in Cuba, entscheidend ist die Erwartungshaltung. Wer sich informiert, weiß in etwa was ein 3*-Hotel in Cuba bieten wird. Wenn man diesen Maßstab ansetzt, ist Maria la Gorda mehr als schön. Das ist es wirklich. Wenn man die schlechten Kommentare beispielsweise bei tripadvisor etwas genauer liest, erkennt man schnell, dass in diesen Fällen vermutlich eine falsche Erwartung vorhanden war. Und das ist mit das gefährlichste Gift für eine schöne Zeit auf Cuba.
Das Beste an Maria la Gorda ist neben dem Tauchgebiet definitiv der Strand. Einige Korallenblöcke reichen zwar bis ans Ufer, aber zum Baden gibt es sehr viele schöne offene – will sagen steinfreie – Zugänge ins Meer. Als ich die ersten Schritte am Wasser entlang machen möchte, muss ich meine Augen etwas zusammenkneifen, so blendend weiß ist der Sand. Die Palmen und das hellblaue Wasser bilden einen wunderschönen Kontrast und sind der kitschige Rahmen für eine 80er-Jahre Fototapete. Ich bin mir sicher, selbst wenn man nicht taucht, könnte man in Maria la Gorda eine sehr entspannende Woche am Strand haben. Ab und zu fällt sogar mal eine reife Kokosnuss von einer der Palmen, was das idyllische Bild abrundet.
Zeit für den ersten Tauchgang! Täglich werden drei Tauchausfahrten durchgeführt, einer morgens, einer am späten Vormittag und einer nachmittags. Die beiden am Morgen gehen ein wenig tiefer, am Nachmittag bleibt man im flacheren Bereich. Es ist lustig die Tauchguides und die gesamte Crew zu beobachten. Auf der einen Seite flachsen sie, klatschen sich ab und lachen sich über irgendetwas kaputt, als ob Fidel Castro gerade seinen Lieblingswitz erzählt hat. Auf der anderen Seite scheint jeder genau zu wissen, was er zu tun hat. Die Ausfahrt soll um 8.30 Uhr starten und zu diesem Zeitpunkt sind alle deutschen Taucher natürlich schon aufgerödelt und „ready to go“. Erstaunlicherweise sind es die Cubaner ebenso. Ich bin ganz verblüfft, als ich auf die Uhr sehe und das Boot tatsächlich um Punkt 8.30 Uhr ablegt. Wie eingangs erwähnt, Cuba überrascht mich immer wieder.
Unser Tauchguide heißt Martin, wobei die Betonung auf dem „i“ liegt. Er bezeichnet sich selbst als Black Coral-man, worüber alle immer wieder lachen. Sein Briefing ist ein bisschen wie eine Comedy-Show, er streut immer wieder Späße ein und lacht dabei selbst herrlich sympathisch am meisten über seine Witze. Ich staune nicht schlecht, als er auf einmal das Lied Guantanamera anstimmt und tatsächlich den Vorsänger macht. So etwas habe ich überhaupt noch nie bei einem Briefing erlebt! Und natürlich verspricht er uns Giraffen und Elefanten für den kommenden Tauchgang. Martin ist großartig, nicht nur als Tauchguide, sondern vor allem als Mensch und Typ. Es ist unmöglich ihn nicht zu mögen. Ganz nebenbei erwähnt, hat er seine Truppe prima im Griff, alles klappt reibungslos und zuverlässig.
Ich bin in der ersten Gruppe, was vielversprechend klingt, denn wir gehen tiefer als die anderen und dürfen auch durch die Tunnels und die teilweise nach oben offenen Canyons tauchen. Genau für diese Peripherie ist Maria la Gorda bekannt. Als unsere Gruppe, bestehend aus sieben Tauchern, abtaucht und wir uns vor einer Felswand versammeln, bin ich zuerst etwas verunsichert, wohin es weitergeht, bis ich erkenne, dass es am Sandboden einen Spalt im Fels gibt, in den wir hineintauchen sollen. In der Tat ist es schwer, diesen Durchbruch zu sehen, bis man sich direkt davor befindet und den leicht abkippenden Eingang entdeckt. Alle sind gut austariert, daher wird kein Sand aufgewirbelt, was in einer solchen Situation ein Segen ist. Als ich in das kleine Versteck hineintauche, bin ich überrascht, was für eine bemerkenswerte Schlucht sich dahinter auftut. Nach wenigen Metern durch schimmernde Dunkelheit, ragen spektakuläre Felswände links und rechts neben mir hinauf. Ein beeindruckendes Bild. Ganz langsam bewege ich mich mit sanften Frosch-Flossenschlägen nach vorne und bewundere die Kulisse. Eine Kurve halblinks und eine Kurve halbrechts später, immer noch umgeben von Fels und Korallen, tut sich vor mir eine blaue Wand auf, in die ich begeistert eintauche. Ich liebe dieses Gefühl. In genau diesen Momenten kann ich die Schwerelosigkeit des Tauchens am meisten genießen. Ich fliege.
Wenig später folgen wir Martin durch ein weiteres Felstal, welches umgeben wird von steil emporragenden Wänden. Über Wasser wäre dieses Gebiet eine prima Kulisse für einen Karl May Winnetou-Film, so viele Schluchten und Felsformationen gibt es. Es gäbe zum Beispiel reichlich Verstecke für einen Hinterhalt. Ich habe die Western-Szene mit sanftem Trommelrhythmus direkt vor mir. Immer wieder richte ich meinen Blick nach oben, nicht auf der Suche nach Indianern, sondern ich bestaune Schwärme von Fischen, die in den überhängenden Schwämmen und Gorgonien zu spielen scheinen. So bewegen wir uns langsam in S-förmigen Linien durch diesen Teil des Riffes, wobei wir uns nach und nach wieder dem oberen Plateau annähern. Ich kann Martins Lachen selbst durch den Regulator hindurch sehen, denn offensichtlich hat auch ihm der Tauchgang gefallen.
Immer wieder ein Thema in Cuba generell und ebenso in Maria la Gorda, ist das Essen. Cuba ist kulinarisch keine Offenbarung, sicherlich nicht. Ich denke es gibt kaum jemanden, der aus einem Cuba-Urlaub zurückkehrt und richtig zugenommen hat. Ich nehme oft mein Nutellaglas mit, weil ich weiß, dass das Frühstück in Cuba nicht wirklich meinen Geschmack trifft. Es ist wie es ist, das Essen in Maria la Gorda ist nur sicherer Durchschnitt. Um ehrlich zu sein, gleichen sich alle Hotels in Cuba dieser Kategorie was das Essen angeht. Hier muss man mit offenen Karten spielen, denn wie gesagt, es geht um die Erwartungshaltung. Ein bisschen muss man den Cubanern zu Gute halten, dass sie viele Dinge nun mal anders mögen und entsprechend unterschiedlich zubereiten als wir Europäer, aber das macht das Essen auch nicht schmackhafter. In Maria la Gorda gibt es zwei Restaurants, ein Buffet-Restaurant, welches ganz neu gebaut wurde, und ein a-la-carte- Restaurant am Strand. Im Buffet-Restaurant gibt es Frühstück, Mittag- und das Abendessen, während im Strandrestaurant nur Mittagessen angeboten wird. Wir verkaufen das Hotel meistens mit Halbpension, weil der Aufpreis gegenüber nur Frühstück sehr gering ist. Das komische ist, dass das Essen mittags im Restaurant am Strand deutlicher besser ist. Dieses muss man dann entsprechend zusätzlich bezahlen. Ein Schuft wer dabei denkt, dass das Hotel so versuchen möchte, den Umsatz des „nicht inkludierten Restaurants“ zu pushen. Die Snacks im Strandrestaurant sind auf jeden Fall ausgesprochen fein und man kann nahezu alle Taucher mittags nach dem zweiten Tauchgang dort beim Pizza essen antreffen. Das neu gebaute Buffet-Restaurant ist an sich ansprechend und man bemüht sich auch die Speisen schön anzurichten, aber ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum ein Neubau das Flair eines jugoslawischen Restaurants in den 70ern haben muss?! Dennoch, es ist eine klare Verbesserung zu dem Restaurant vorher, welches deutlich zu klein war. Ich darf alleine ein wenig eher ins Restaurant, um alles zu fotografieren und natürlich kratzen die deutschen Gäste zur regulären Abendessenszeit bereits an der Eingangstür. Erfreulicherweise haben alle Verständnis für die durch mich verursachte Verspätung.
Nachmittags steht der flache Tauchgang auf dem Programm und ich bin eine Viertelstunde vor der geplanten Abfahrtszeit der Letzte, der an Bord des Tauchbootes kommt. Schließlich legen wir sogar fünf Minuten vor der Zeit ab, was alle mit einem ungläubigen Staunen quittieren. Sind die Cubaner in Maria la Gorda etwa Deutsch?
Wer jetzt denkt, dass der flache Tauchgang langweilig oder nicht der Rede wert ist, täuscht sich gewaltig. Die Riffe mit ihren Korallengärten in Maria la Gorda sind unglaublich gesund. Komplett intakt, für die Karibik erstaunlich farbenfroh, sowie arten- und fischreich. Jede Beschreibung hört sich vermutlich nach einem Werbekatalog an, insofern möchte ich sehr gerne auf mein Video von dieser Reise verweisen. Was ich in fünf Tauchgängen vor die Linse bekommen habe, ist schlicht großartig. Als ich einen Kaiserfisch filmen will, komme ich kaum dazu, weil mir immer wieder Lippfische dazwischen schwimmen. Man merkt, dass hier ein Nationalpark eingerichtet wurde, die Fische sind sehr zutraulich und nur ganz selten scheu. Eigentlich wird man die ganze Zeit von irgendwelchen Fischschwärmen begleitet, wenn nicht direkt am Riff, dann wenigstens im blauen Wasser.
Maria la Gorda ist ein tolles Tauchziel, das muss man wirklich so sagen. Meiner Meinung nach ist es sogar das zweitbeste in ganz Cuba. Die üppig bewachsenen Riffe, der Fischreichtum und die interessante Peripherie machen es zu einem abwechslungsreichen Tauchgebiet. Beim Essen muss man Abstriche machen, aber wer das vorher weiß, wird damit umgehen können. Der Service in Maria la Gorda ist bemüht, darüber hinaus aber durchaus cubanisch. Als einer meiner Tauchbuddies während meiner Zeit vor Ort, einen Mojito bestellt, bekommt er als Antwort, dass Mojitos leider aus sind. Begründung: keine Minze mehr. Wenig später an der anderen Bar gibt es überraschenderweise aber doch noch Minze. Dass man die eine Bar durchaus auch mit fehlenden Zutaten, die in der anderen Bar verfügbar sind, versorgen könnte, ist als Überlegung offensichtlich relativ weit entfernt. Das genau gleiche Spiel ist mir wiederum abends mit Wasser passiert. In der einen Bar gab es keines mehr, in der anderen war der ganze Kühlschrank noch voll mit Wasserflaschen. So ist das eben in Cuba.
Dafür sind die Neubauten der Zimmer, des Restaurants, der Rezeption und die Umbauten am Strand absolut gelungen. Wenn man sich den Preis für einen Urlaub in Maria la Gorda durchrechnet ergibt sich in meinen Augen ein großartiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Alle Kunden, die ich vor Ort getroffen habe, waren sehr happy und das ist ja durchaus das schönste Feedback für einen Reiseveranstalter.
Für mich geht es auch schon wieder weiter, und zwar zum besten Tauchgebiet Cubas, nämlich in die Jardines de la Reina, die Gärten der Königin. Haitauchen.
JARDINES DE LA REINA
Eine Sache, die ich an Cuba liebe, ist dass ich stundenlang im Auto sitzen kann, um einfach nur aus dem Fenster zu schauen. Das mag sich komisch anhören, ist aber so. Es tut sich andauernd etwas und wenn nicht, dann sind Natur und Landschaft außergewöhnlich genug. Immer wieder passieren wir weite Plantagen, die von Ochsen in Holzgeschirren bearbeitet werden. Am Straßenrand stehen Cowboys, die wie die Helden meiner Kindheit aussehen. Männliche Hüte, raue Stiefel, abgewetzte Hosen und einen Grashalm im Mundwinkel. Wir überholen Familien auf Kutschen, wobei die Kinder mir mit so viel Euphorie zuwinken, als ob ich der langerwartete Großvater wäre. Büffel überqueren in Zeitlupe die Straße oder blockieren diese sogar. Wo in Deutschland vermutlich jeder Großstadt-Autofahrer ein unruhiges Augenlidflackern bekäme, wartet mein Fahrer Raul ganz geduldig bis der Ochse genug von der Straße hat und seelenruhig in die Wiese trottet. Männer und Frauen sitzen auf ihrer Veranda in Schaukelstühlen und beobachten das nicht vorhandene Treiben auf den Straßen. Wilde Pferde grasen wie Kühe auf den Weiden. All das habe ich schon einmal gesehen, allerdings war das in meiner Jugend in einem Western aus den 60er Jahren. Einzig die Zuckerrohrfelder und die vielen aufgemalten politischen Sprüche, sowie Bilder der Revolution an den Hauswänden, verraten mir eindeutig wo ich bin.
Der Treffpunkt für die Jardines de la Reina ist der kleine Hafenort Jucaro. Von Havanna aus dauert die Fahrt ca. 5-6 Stunden, je nachdem wie lange man unterwegs Pause macht. Jucaro besteht nur aus einer Straße und diese führt schnurstracks ans Meer, wo sich hinter einem Jurassic Park ähnlichen Tor, die gesamte Flotte der italienischen Firma Avalon befindet. Noch bevor ich an Bord gehe, muss ich den Papierkram, hinsichtlich Reisepassdaten und Tauchinformationen, erledigen, was sich als sehr interessant herausstellt. Wo man normalerweise viele konkrete Angaben, die die Tauchbasis absichern sollen, machen muss, stehen in Cuba Fragen wie diese:
Wie sind deine Tauchfähigkeiten?
- Schlecht
- Mittel
- Gut
- Exzellent
Aus Interesse was danach passiert, hätte ich gerne „mittel“ angekreuzt, aber den Spaß verkneife ich mir dann doch. Ich war eben noch nie ein echter Lausbub.
Gut geschlafen habe ich, eine Erkältung habe ich derzeit auch nicht und die Tauchhandzeichen verstehe ich ebenfalls. Das war es auch schon an Fragen. In Cuba mag man es eben unkompliziert.
Endlich darf ich mein zu Hause für die nächsten sechs Nächte betreten, und zwar das Tauchschiff Avalon I. Schon der Anblick löst Vorfreude aus: groß, geräumig und modern. Auch die Kabinen sind sehr ansprechend, insgesamt gibt es acht davon und sieben Bäder, das heißt zwei Kabinen, ganz am Ende des Ganges, teilen sich ein Bad. Alle anderen Kabinen haben ein eigenes, großes Badezimmer mit eigener Duschkabine. Dazu gibt es einen klimatisierten Aufenthaltsraum mit Fernseher und DVD-Spieler, auf dem sich unsere gesamte Gruppe an einem Abend gemeinsam den Film „Racing Extinction“ ansieht – ganz am Rande erwähnt: ein beeindruckender Film über das Arten-Aussterben, der unter die Haut geht. Der Tauchbereich auf der Avalon I ist groß genug und clever aufgeteilt, so dass jeder bequem sein Equipment verstauen kann. Der in meinen Augen wichtigste Bereich eines Tauchsafaribootes ist immer das mittlere Deck, wo gegessen wird, wo man rumlümmelt, liest, zusammensitzt, entspannt oder eventuell sogar mal ein Schläfchen macht. Dieser Bereich ist hier wunderbar gestaltet, mit einer gemütlichen Sitzecke, einem großen Tisch und einer bequemen Bank am Ende des Decks. Insgesamt ein schöner Treffpunkt an Bord. Das Sonnendeck ganz oben bietet nochmal genügend Liegefläche für Sonnenanbeter und eine prima 360 Grad Aussicht für einen leckeren Cocktail zum Sonnenuntergang. Und als kleines Zuckerl oben drauf, gibt es sogar einen Süßwasser-Jacuzzi. Rundum, ein prima Tauchboot, auf dem sich jeder mehr als wohl fühlen wird.
Von Jucaro aus bis in die Jardines de la Reina sind es nochmal weitere fünf Stunden, die alle Teilnehmer dazu nutzen, ihre Sachen zu verstauen, das Tauchequipment auszupacken oder die Kameras zusammenzuschrauben. Besonders gefällt mir die Stimmung an Bord, denn man kann die Aufregung förmlich spüren. Jeder weiß, dass die Jardines de la Reina ein besonderes Tauchgebiet sind und wir mehr oder weniger sicher Haie sehen werden. Die Vorfreude strahlt aus jedem einzelnen Gesicht, als alle ihre Koffer durch die Gänge des Bootes tragen. Anschließend gibt es noch ein Briefing seitens der Crew, zum einen über das Boot und zum anderen über den Ablauf auf der Avalon I. Über Frühstücks- und Mittagszeiten können wir selber abstimmen, sechs Getränke pro Tag sind im Preis inbegriffen und pro Tag gibt es drei Tauchgänge. Va bene.
Danach folgt eine Erklärung über die Jardines de la Reina, um zu verstehen, warum es sich hier um ein außergewöhnliches Tauchziel handelt. Die Jardines de la Reina sind tatsächlich der erste Marinenationalpark, der je in Cuba eingerichtet wurde. Zuerst noch als kleinere Fläche, wurde diese dann 2010 allerdings erheblich erweitert. In dem ganzen, großflächigen Gebiet ist mittlerweile keinerlei Fischfang mehr erlaubt. Das parallel angebotene Fliegenfischen basiert auf dem Catch & Release-Prinzip, sprich fangen und wieder freilassen. Lediglich Lobster dürfen noch „gefischt“ werden. Die ehemals in den Jardines de la Reina tätigen Fischer, wurden entweder in den Tauchbetrieb integriert oder aber sie fischen nun in einem anderen, extra dafür ausgewiesen Gebiet, so dass man sich nicht in die Quere kommt. Eine gute Lösung für alle Beteiligten. Warum aber sind die Tauchplätze überhaupt so wunderschön? Das biologisch, ideale Zusammenspiel aus Seegras, Mangroven und Korallen ermöglicht eine sehr intakte Unterwasserwelt, wovon wir uns in den kommenden Tagen überzeugen dürfen. Berühmt sind die Jardines de la Reina ja vor allem wegen der großen Anzahl an Haien, die man hier bei fast jedem Tauchgang zu sehen bekommen soll. Viele Titelgeschichten in Tauchzeitschriften haben bereits darüber berichtet und wenn mir Journalisten nach ihrer Reise etwas vorschwärmen, dann weiß ich, dass es sich um ein wirklich außergewöhnliches Gebiet handeln muss. Fast überhört wird am Ende die Information, dass die Jardines de la Reina auch noch einen der größten Nestplätze für Schildkröten in der ganzen Karibik darstellen. Diese Art von Briefing macht mal richtig Lust auf die kommenden Tage.
Natürlich ist auch sofort eine andere Frage aufgekommen, und zwar ob mit dem amerikanischen Tourismus vielleicht ein zweites Hurghada in den Jardines de la Reina oder zu mindestens in der Küstenregion zu erwarten ist? Die Antwort lautet (erstmal) nein, ganz einfach weil die Zahl der zugelassen Schiffe begrenzt wurde. Natürlich kann sich das einmal ändern, denn wer weiß schon was passiert, wenn amerikanische Firmen die Brieftasche öffnen. ABER, es werden immerhin keine Hotels am Ufer gebaut, sprich in diesem Bereich wird der Tourismus definitiv nicht in die aktuelle Situation eingreifen. Der Grund ist einfach zu erklären: das Südland von Cuba ist weicher Sumpf. Es gibt keine Strände und keinen Untergrund, der für Hotelbauten geeignet wäre. Zu mindestens dies ist ja mal eine gute Information für die Zukunft, denn so beschränkt sich das Tauchen in den Jardines de la Reina definitiv alleine auf Tauchsafaris.
Das Tauchschiff Avalon I – Tauchbereich, nach dem Tauchen bekommt man immer ein warmes Handtuch und Gruppenbriefing
Genug gelernt und gequatscht, jeder will ins Wasser! Am nächsten Morgen ist es soweit, die 12 Teilnehmer werden auf zwei Boote verteilt, was extrem angenehm ist, denn sechs Personen pro Boot ist schön komfortabel. Selbst die Fotografen haben genug Platz ihre koffergroßen Kameras mit spinnenartigen Blitzaufbauten auf den Tauchbooten unterzubringen. Nach mehrfachen Gesprächen und aufreibenden Überlegungen, entscheidet sich „unser“ Fotograf an Bord für ein Fish-Eye-Objektiv, denn schließlich seien die Jardines de la Reina ja ein wideangle-trip. Sprich ein Gebiet für „große Sachen“. Makrobilder kann er auch woanders aufnehmen. Das ist die richtige Einstellung. Guter Mann.
Unser erster Tauchgang zeigt uns gleich mal was wir erwarten dürfen. Ein Korallengarten vom allerfeinsten. Dicht bewachsen und voller Fische. Eine unfassbar große Rochendame flattert am Boden herum und bietet unserem Fotografen die perfekte Show. Fischschwärme umgeben uns wie Mücken in der Abenddämmerung am heimischen See. Ein brillanter Start. Alle sind zurück an Bord richtig happy, weil es so viel zu sehen gab. Allerdings keine Haie, was uns unser Tauchguide aber vorher bereits angekündigt hat. Der zweite Tauchgang bietet uns eine Reihe von Canyons, die von silberblinkenden Tarpunen bewacht werden. Tarpune sind spannende Fische, weil sie sich relativ wenig und wenn langsam bewegen, dabei aber groß und noch dazu fotogen sind. Unser Fotograf Walter ist happy, hier geht was. Und dann sehen wir den ersten Hai! Ein ca. 2,5 Meter großer Ammenhai stattet unser Tauchgruppe einen kurzen Besuch ab. Die vier weiteren Rochen plus eine Schildkröte runden den Tauchgang wunderschön ab. Zurück an Bord der Avalon I berichtet uns die andere Bootsgruppe von ihrem zweiten Tauchgang und die Stimmen überschlagen sich. Augen leuchten. Hektische Handbewegungen zeigen irgendwelche Größen an. Irgendwann schnappe ich „…ungefähr zehn Riff- und Seidenhaie…“ auf. Unweigerlich fange ich wieder sofort an, an meinem Karma zu zweifeln. Sollte ich ein zweites Yap erleben, als ich als vermutlich jemals einziger Taucher der Insel keine Mantas gesehen habe? Mein amerikanischer Tauchbuddy, ein Schrank von einem Kerl mit eigener Tauchschule am Lake Michigan, haut mir mit der einen Hand auf die Schulter und mit der anderen stürzt er ein Bier hinunter. „Don’t worry Jan, either it’s gonna be a great experience or a fucking good story.“ Frei Übersetzt: Mach dir keine Sorgen, Jan, entweder wir erleben noch großartige Tauchgänge oder es wird eine verdammt geile Geschichte. Auf die verdammt geile Geschichte kann ich gerne verzichten, davon habe ich schon ein paar auf Lager. Siehe Yap. Meine Hoffnungen ruhen auf dem dritten Tauchgang, denn es wäre schon mehr als unfair, wenn wir direkt gefühlt leer ausgehen sollten. Wir gehen tief, was gut ist, denn die karibischen Riffhaie kommen nicht so gerne nach oben. Wir tauchen durch eine Höhle hindurch, was Spaß macht, aber ich schaue die ganze Zeit nach rechts und nach links. Kennen Sie das, wenn die Chance auf etwas Großes da ist, dass man immer etwas unruhig auf der Suche ist?! Ich tauche als zweites aus der Höhle hinaus und zwar direkt in die Flossen eines Adlerrochens. Yes! Volltreffer… Er fliegt an mir vorbei, dreht nochmal eine kurze Runde, posiert kurz für Walter, unseren Fotografen, und fliegt weiter. Ich grinse in mein Mundstück hinein. Das war klasse. Auf einmal höre ich die Französin in unserer Gruppe schrill quieken und drehe mich hastig um. Keine zwei Meter entfernt von mir zieht ein massiger Riffhai seine Kreise. Ich bin quasi in der Pole-Position, nämlich ganz vorne. Was für ein Moment. Noch während ich den Riffhaie bestaune, höre ich wieder dieses informative Quieken. 90 Grad links von mir ein zweiter Riffhai. Genauso groß, genauso faszinierend. Ich weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll und verwackle meine erste Filmaufnahme komplett. Macht nichts, denn anscheinend gibt es hier ein Nest. Noch ehe ich alles richtig einsortiere, tummelt sich eine echte Gruppe von Haien um uns herum. Wow. Atmen. Wow. Ich inhaliere dieses Gefühl und schüttle leicht ungläubig den Kopf. So viele Haie. Alle hier. Bei mir. Sensationell. Obwohl ich schon einige Haie gesehen habe, bin ich nach wie vor immer noch sehr demütig, wenn ich einem Hai in die Augen schaue. Unser Tauchguide lässt uns so lange es geht den Spaß die Haie zu beobachten, zu filmen und zu fotografieren, da wir aber doch etwas tiefer waren, melden sich die Computer und wir müssen wieder nach oben. Selbst beim Aufsteigen kann ich meinen Blick noch nicht von den Haien abwenden. Zu begeisternd war dieser Moment.
Ein sensationeller Tag neigt sich dem Ende entgegen und ich kann es kaum erwarten wieder ins Wasser zu kommen. Unsere Gruppe an Bord ist großartig, man kann sich mit allen gut unterhalten, wir haben Spaß und natürlich kann sich jeder auch mal zurückziehen und/oder ein Buch lesen. Nach dem dritten Tauchgang gibt es immer leckere Pizza, die sich als echtes Highlight herausstellt. Alle greifen ordentlich zu und lassen es sich schmecken. Wenig später wird jeden Tag ein erfrischender Sundowner, wie Mojito oder Pina Colada, serviert. Da es an Bord der Avalon I kein Internet gibt, entwickelt sich der sonst übliche „heads down“ Effekt gar nicht erst, was ich als sehr angenehm empfinde. Niemand kommt in die Verlegenheit in sein Smartphone zu glotzen, sondern wir sitzen zusammen oder genießen einfach nur die Aussicht auf das in der Sonne glitzernde Meer. Dazu karibische Musik. Eine leichte Brise in der warmen Luft. Besser geht es nicht. Obwohl! Das Abendessen an Bord der Avalon I ist jedes Mal eine Schau. Alles wird frisch zubereitet: Salate, Obst, Gemüse, Pasta, Fleisch, Fisch und als Highlight Lobster. Lobster gibt es tatsächlich jeden Tag, in unterschiedlichen Varianten. Sensationell. An einem Abend findet ein Barbecue statt und der Koch als Grillmeister macht uns allen den Mund wässrig. Das Essen ist wirklich klasse, das muss man so deutlich herausstellen. Mein persönlicher Favorit ist die unglaublich schmackhafte Mango, um die es jedes Mal einen lustigen „Kampf“ gibt.
Zurück unter Wasser geht der Spaß weiter. Jeder Tauchgang ist außergewöhnlich. In meinem Boot ist ein amerikanisches Tauchlehrerpärchen, die seit 30 Jahren Tauchschulen in der ganzen Karibik leiten und noch dazu als Reiseveranstalter tätig sind. Nach dem dritten Tauchtag kann er seine Begeisterung nicht mehr zurückhalten und bezeichnet die Jardines de la Reina als den einzig verbliebenen, komplett ursprünglichen Tauchplatz der Karibik. Das kann man so sehen, denn die Riffe sind wirklich dicht bewachsen und voller Leben. Auch hier haben die Fische keinerlei Scheu, was für jeden Fotografen ein Traum ist. Riesig große Zackenbarsche begleiten die Taucher jeden Tauchgang. Wie kleine Hunde verfolgen sie mich und schwimmen mir immer wieder vor die Linse. Selbst nach dem zehnten Tauchgang habe ich durchaus noch Spaß an den fotogenen Spielgefährten. Papageienfische gibt es in jeglichen Varianten und in jeder Größe. Besonders die Mitternachts-Papageienfische haben es mir angetan, weil ihr schimmerndes Dunkelblau irgendwas majestätisches hat. Die Schildkröten suchen selten direkt das Weite, sondern machen einfach „ihr Ding“ weiter. Ganz ruhig schweben sie über das Seegras, bis sie den nächsten Futterplatz gefunden haben. Die beste Aufnahme allerdings gelingt mir, als ich einen Rochen zwischen zwei Felsblöcken im Sand filme. Er buddelt gerade ein wenig im Sand herum, als von hinten ein karibischer Riffhai zuerst über den Rochen und dann über mich hinwegzieht. Wenn ich könnte, würde ich unter Wasser die Beckerfaust ballen, aber ich halte weiter drauf und der Rochen belohnt meine Geduld mit einem sauberen 180 Grad Abgang. Ein echter Glücksschuß. Meine anfängliche Sorge hinsichtlich meinem Karma war übrigens komplett unbegründet. Tatsächlich hat man bei fast jedem Tauchgang eine echte Chance auf Haie. Bei meinen insgesamt 15 Tauchgängen sehe ich bei zwölf Tauchgängen immer mindestens einen Hai. Auch bei den Haien gilt, sie verschwinden nicht direkt, sondern speziell die Seidenhaie sind sogar leicht neugierig. Das macht Spaß und bietet Abwechslung. Der beste Tauchgang aus meiner Sicht ist tatsächlich der letzte: Haie, Rochen, wunderschöne Korallenformationen und Fischschwärme ohne Ende. Gelbschwanz-Makrelen reflektieren förmlich das Sonnenlicht. Kreolen-Lippfische schnellen synchron durchs Blauwasser. Doktorfische umspielen die Schwämme und Korallen. Ich liebe es, auf fünf Metern auszutauchen und dabei von Fischen umringt zu sein. Ein Seidenhai schaut noch einmal vorbei und ein Barrakuda gleitet durch einen Schwarm von Grunzern. Ein wunderbarer Abschied.
Die Jardines de la Reina sind in der Tat ein ganz besonderes Tauchziel. Ich will hier keine Superlative bemühen, denn ich habe schon viele tolle Tauchgänge in der Karibik absolviert, aber die konstante, sehr hohe Qualität der Tauchplätze lassen mich auch zu dem Schluß kommen, dass es wirklich der beste Tauchspot der Karibik ist. Natürlich ist das immer subjektiv. Dennoch, das pralle Riffleben in Kombination mit der fast sicheren Garantie auf Haie ist einfach großartig. Das Ganze hat seinen Preis, keine Frage. Aber auch hierzu habe ich ein Statement, denn unser Fotograf Walter war bereits auf Cocos und Galapagos und meinte hinterher, die Tauchplätze sind im Querschnitt ungefähr gleich gut (außer man ist reiner Großfischtaucher), das Boot und das Essen sind aber in den Jardines de la Reina leicht besser. Preislich liegt man ungefähr gleich, von daher ist das ein preislich intensives, aber angemessenes Angebot.
Ich hatte überragende Tage auf der Avalon I in den Jardines de la Reina, mein Logbuch hat einige sensationelle Einträge erhalten und ich kann es kaum erwarten wieder dorthin zurückzukehren.
ZURÜCK NACH HAVANNA
Mit ganz viel Wehmut im Bauch machen wir uns schließlich auf den Weg zurück nach Havanna. Unser Auto ist wieder ein einzigartiges, cubanisches Modell, denn die Hupe ist der Ein/Aus-Knopf für die Heckscheibenheizung. Als ich das sehe, muss ich tatsächlich richtig lachen. Wie viele Überraschungen hat dieses Land noch für mich parat?!
Der Rückweg gestaltet sich nicht viel anders, als die anderen Transfers. Und das ist, wie eingangs erwähnt, ein Kompliment. Ich schaue aus dem Fenster und sehe viele Menschen, die am Straßenrand stehend auf den Bus warten. Ich habe allerdings noch nie einen Bus oder ein anderes Transportmittel gesehen, welches auch wirklich mal alle Leute einsammelt. Maximal einen Kipplaster, der auf seiner Ladefläche ein paar Wartende mitnimmt. Ein Phänomen in Cuba, welches ich bis jetzt noch nicht komplett verstanden habe.
Die Polizisten sind in schneidigem blau gekleidet und sehen richtig lässig aus. Sie fahren dicke Motorräder und könnten locker eine große Rolle in einem Film über die 70er Jahre spielen. Bis dahin entspannen sie sich erstmal in einem kleinen Kontrollhäuschen.
Wieder in Havanna gerate ich mitten in die Feierlichkeiten zu Fidel Castros 90stem Geburtstag. Die Stadt genießt eine mehrere Tage andauernde Feier, die einem Karneval gleicht. Auf einer Open-Air-Karaoke-Party begrüßt der Gastgeber des Abends in einem hautengen, lilafarbenen Anzug das Publikum mit einem großen Dankes-Monolog in Richtung der eigenen Regierung. Das würde ich bei Deutschland sucht den Superstar auch gerne mal sehen, wie Dieter Bohlen unserer Kanzlerin und dem Außenminister dankt. Egal, die Teilnehmer sind große Klasse und sehen mit ihren ausladenden Hemdkragen teilweise aus, als ob sie direkt aus dem Studio 54 kommen würden. Ein toller Abend, der im Kreise unserer Safari-Gruppe mit einer Flasche Havanna Club am Malecon – der Uferpromenade von Havanna – endet.
Am nächsten Morgen steht für mich eine Rundfahrt durch Havanna auf dem Programm. Nachdem sich so viel tut und getan hat, möchte ich mich mal wieder updaten und Havanna quasi neu entdecken. Allerdings nicht auf irgendeiner Tour, sondern mit einem Oldtimer! Ganz genau. In einem aufpolierten, hervorragend gepflegten Oldtimer. Leider war kein Cabrio mehr für mich frei, allerdings ich bin auch so komplett begeistert von diesem nostalgischen Schmuckstück. Ich habe keine Ahnung von Autos, aber dieses Exemplar gefällt mir ausgesprochen gut. Das große Lenkrad, die federnden Sitze und die Geschwindigkeitsanzeige von links nach rechts – alles ist stilvoll gealtert und dabei trotzdem komplett würdevoll. Lediglich das USB-Kabel und der Duftbaum mit Geschmacksrichtung Bayside Breeze stören das Gesamtbild ein wenig.
Unsere Tour führt uns durch den Stadtteil Vedado. Dort sind die Grundstücke derzeit mit am teuersten, was man den Gebäuden problemlos ansehen kann. Wir cruisen ein wenig herum und es ist erstaunlich schwer die Stadt zu filmen, wenn das Auto selbst auf einer ebenen Straße ständig ein wenig wippt. Was soll’s, vermutlich muss das so sein. Auf dem Weg zurück in die Altstadt befindet sich der weltbekannte Platz der Revolution, den ich jedes Mal wieder ehrfürchtig bestaune. Es handelt sich um den größten, freien Platz in Havannas, der seine Berühmtheit den früher alljährlichen Ansprachen von Fidel Castro verdankt, die er hier vor über einer Million Menschen gehalten hat. Auffällig sind das über 100 Meter hohe José Martí Denkmal, der erste große Volksheld Cubas, und die beiden Bildnisse von Ernesto Che Guevara und Camilo Cienfuegos. Speziell jenes von Che Guevara wird immer fleißig fotografiert, schließlich ist er einer der bekanntesten Symbolfiguren der cubanischen Revolution. Er sieht aber auch einfach cool aus, das muss man so sagen. Bemerkenswert ist sein Satz „Hasta la Victoria Siempre“ (immer bis zum Sieg). Camilo Cienfuegos ist weit weniger bekannt, allerdings war und ist er bei den Cubanern sehr beliebt. Man sagt, er sei der einzige gewesen, dem es erlaubt war Che Guevara zu widersprechen. Was mich an der Stelle fasziniert, ist dass man nirgends Bilder oder Statuen von Fidel Castro sieht. Nirgends. Irgendwie erstaunlich, aber auch gleichzeitig sehr smart, wie ich finde. Er ist gefühlt immer präsent, aber ohne den Leuten hier durch nerviges zur-Schau-stellen auf den Nerv zu gehen. Das ist schon bemerkenswert, für eine solche Persönlichkeit dieses außergewöhnlichen Landes. Ich reihe mich schließlich in die Schar der Touristen ein und bekomme auch meine „must-have“-Bilder am beeindruckenden Plaza de la Revolución.
Nächster Stopp ist die Eisdiele Coppelia, ein Klassiker in Havanna. In dem 1966 gebauten und zu allen Seiten hin offenen Haus, haben bis zu 1.000 Kunden Platz. Am Sonntagnachmittag steht eine cubanische Familie hier schon mal ein paar Stunden an, um sich am Ende mit ein paar Eiskugeln in der Hand glücklich auf die nächste Parkbank zu setzen. Glücklicherweise gibt es genau an der Straßenkreuzung, wo die Schlange beginnt, einen Wifi-Spot – da fällt das Warten nicht ganz so schwer. Auch in Cuba haben die Kids Smartphones und checken mittlerweile ihre Instagram-Accounts. Dazu haben sie Frisuren wie Neymar und Christiano Ronaldo. Die Gegensätze aus alt und modern sind in Havanna so groß wie nirgendwo sonst. Ach ja, für Touristen gibt es einen extra Bereich in der Eisdiele Coppelia. Dort kostet das Eis ein bisschen mehr, dafür muss man so gut wie überhaupt nicht warten.
Das Finale einer jeden Tour ist die Altstadt von Havanna. Ich weiß noch genau, wie bisher in fast jedem Artikel über Cuba und Havanna der Ausdruck „morbider Charme“ verwendet wurde. Das trifft auch immer noch zu, allerdings nur noch auf die Seitenstraßen. Direkt im Zentrum, rund um den Parque Central, so etwas wie der Hauptplatz der Altstadt, wird überall gearbeitet, gehämmert und gemauert. Auf den Straßen liegt Schutt, weshalb die ohnehin schon schmalen Straßen noch schmäler werden. Einige unserer Transfers zu den Hotels können dadurch sogar gar nicht mehr planmäßig durchgeführt werden, weil bisher normale Straßen auf einmal zu Sackgassen oder Einbahnstraßen werden. Das neue Havanna entsteht. Und doch blitzt überall glücklicherweise noch das alte Havanna durch. So sehe ich beispielsweise Münztelefone, die in Deutschland definitiv museumstauglich wären. Oder auf dem Weg wenig später zum Flughafen steht auf einer fast eingefallenen Mauer „Socialismo o muerte“ geschrieben: Sozialismus oder Tod. Es bleibt abzuwarten, welche Wirkung die frischen Dollars auf das über Generationen gelebte System haben werden.
Havanna ist eine faszinierende Stadt, mehr denn je. Ich besuche Orte, an denen ich schon viele Male gewesen bin und die jetzt ganz anders aussehen und wirken. Das Haus direkt daneben sieht allerdings noch genauso aus wie früher. Mehr Kontrast geht nicht.
Unterm Strich muss man sagen, dass sich das Land im Wandel befindet, keine Frage. Noch reduziert sich das alles aber weitestgehend auf Havanna und ich vermute, das wird auch noch ein bisschen so bleiben. Das Geld ist noch nicht da, sprich es überschwemmt das Land noch nicht, es tröpfelt nur herein.
Mein 20ter Aufenthalt in Cuba geht zu Ende und ja, Cuba hat sich auf mich gefreut. Es hat mich wieder einmal mit offenen Armen empfangen und mir viele wertvolle Erlebnisse und Gefühle geschenkt. Ich habe ein unvergleichliches Tauchgebiet mit den Jardines de la Reina besucht. Maria la Gorda folgt einer langsamen, aber stetigen positiven Entwicklung. Und das Schönste ist, diese Erinnerungen kann mir keiner mehr nehmen, egal was in den kommenden Jahren passiert.
Und damit möchte ich auch gerne zum Ende kommen, ich habe vermutlich ohnehin wieder einmal viel zu viel geschrieben. Allerdings war es für mich eine spannende Reise, zum einen emotional, denn Cuba liegt mir einfach sehr am Herzen, und zum anderen auch aus Interesse, denn die Zeichen der Zeit muss man schließlich immer beachten.
Sollten Sie Fragen, Meinungen, Kritik oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer sehr über Ihr Feedback.
Ansonsten wünsche ich Ihnen einen schönen Restsommer, in München steht ja die Wiesn, also das Oktoberfest, bevor, was immer eine prima Jahreszeit ist.
Alles Gute und herzliche Grüße
Ihr / Euer
Jan Thies
Geschäftsführer